Guido M. Breuer über Sexualität im Alter, Eltern-Kind-Probleme und eine Niederlage Cäsars - KBV-Autorenlesungen 20.-28.5.2012

Guido M. Breuers schrulliger Ermittler Opa Bertold hat eine treue Fangemeinde. Vielleicht auch deshalb, weil die Krimis um den rüstigen Alten immer mehr sind als reine Eifelkrimis. Breuer erklärt die Themen neben der Mördersuche in NACH ALTER MÖRDER SITTE.

„Sexualität im Alter wird gerne ausgeblendet“

Guido M. Breuer über Senioren, einen alten Kauz, Eltern-Kind-Probleme und Cäsars Niederlage

Opa Bertold, Ihr kauziger Ermittler, stolpert in seinem neuesten Fall NACH ALTER MÖRDER SITTE in einen sehr privaten Fall. Aus welchen Versatzstücken haben Sie eigentlich Ihre Kunstfigur destilliert?
Breuer: Opa Bertold hat ein reales Vorbild, das ich leider nicht mehr habe kennenlernen dürfen, nämlich Opa Breuer, der kurz vor meiner Geburt verstorben ist. Er war Kommunist, Frei- und Querdenker, Rennfahrer, Chauffeur und Hobby-Grobian. Keine Familienfeier ohne Zitate seiner wilden Sprüche – einige Dialoge in Opa Bertolds Abenteuern entstammen der direkten Familien-Überlieferung seiner Schlagfertigkeit. Ein bisschen steckt auch meine persönliche Hoffnung in Opa Bertold, einmal so ein schräger Alter zu werden.

Neben der Mord-Serie nach historischen Vorbildern ist Ihr Kriminalroman, der in Nideggen und dem Rurtal spielt, auch ein Stück über einen Generationenkonflikt. Es geht um Schuld, ungelöste Eltern-Kind-Probleme, und Lebenswunden, die nicht verheilen. Wie wichtig sind Ihnen solche sozialen Themen bei der Gestaltung des Settings?
Breuer: Sehr wichtig. Der Generationenkonflikt ist eines unserer großen sozialen Probleme. Ich würde gerne sehen, dass die immer älter werdende Gesellschaft als Chance gesehen wird und nicht nur als Problem. Das bleibt vielleicht in Teilen ein wenig Wunschdenken, denn das Altwerden hat Seiten, die man nicht schönreden kann. In Würde und mit Humor altern, und den Jungen ein positives Beispiel geben, was alles geht, auch wenn die körperliche Spannkraft nachlässt. Das zeigt Opa Bertold bei aller Nachdenklichkeit vor allem mit seinem Aberwitz, denn das Leben ist ja ernst genug. Und ob das Gras früher wirklich grüner war?

Die Eltern-Kind-Konflikte halte ich für tiefgreifende seelische Schlachtfelder, die uns ein Leben lang begleiten. Oder auch für grüne Auen, auf denen unsere Seele glücklich weidet, je nachdem… Wirklich erwachsen werden heißt für mich auch Versöhnung mit den Eltern, irgendwann auf gleicher Augenhöhe und respektvoll miteinander umgehen können. Der Krimi ist für mich unter anderem auch das Unterhaltungspaket, in dem ich diese Dinge zu versenden suche.

Außerdem geht es um ein selbstbestimmtes Leben im Alter. Sie schildern sehr genau die Einsamkeit und kleinen Freuden der Seniorinnen und Senioren im der „Residenz Burgblick“. Haben Sie ein Recherchepraktikum in einer Seniorenresidenz absolviert, oder eigene Erfahrungen aus der Familie verarbeitet?
Breuer: Natürlich habe ich, wie wohl jeder andere auch, Beispiele aus der Familie, wie das Alter unser Leben verändert. Und ich habe meine eigenen Ängste, Hoffnungen und Pläne, was den letzten Lebensabschnitt angeht. All das verarbeite ich in Opa Bertolds Abenteuern. Das Recherchepraktikum habe ich noch nicht absolviert, das wäre aber sehr spannend. Ich warte auf Angebote. Da bin ich wie Opa Bertold Feinschmecker. Es sollte schon eine „Seniorenresidenz“ sein. Die Realität im „Altenheim“ sieht leider häufig grauer aus. Aber dessen ist sich auch Opa Bertold bewusst. Er hat es in der „Seniorenresidenz Burgblick“ zu Nideggen wirklich gut getroffen. Vielleicht ein Motiv, dem ich mich zukünftig noch besonders widmen werde.

Auch Homosexualität im Alter ist in „Nach alter Mörder Sitte“ ein wichtiges Thema. Die Liebe zwischen Gustav und Alexander wird behutsam geschildert; wie ein Gegenentwurf wirkt die junge Liebe zwischen dem Krankenpfleger Benny und der Archäologiestudentin Vera Distel. Man lernt so auch etwas über tiefe Gefühle in den verschiedenen Lebensabschnitten. Wollen Sie für Verständnis werben, und warum?
Breuer: Ich versuche in Opa Bertolds Umfeld verschiedene Lebensaspekte abzubilden. Sexualität gehört auch dazu. Natürlich. In diesem Format gehe ich damit sehr vorsichtig um, aber es darf nicht ausgespart bleiben. Ich bin sehr für Offenheit und Toleranz, gerade in diesem Bereich. Homosexualität ist immer noch problematisch in unserer Gesellschaft, ich finde das nach all den Jahrzehnten der sogenannten sexuellen Aufklärung geradezu beschämend. Sexualität im Alter wird ebenfalls gerne ausgeblendet, leider sogar von den Alten selbst. Hier habe ich die Chance, beides zusammenzubringen. Der eine oder andere Leser mag verwundert feststellen, dass auch Schwule alt werden – und dabei hartnäckig schwul bleiben. Bei dem Gedanken muss ich immer lachen. Es macht mir Spaß, mit den kleinen Barrieren im Kopf zu spielen.

Verglichen damit ist die Spurensuche nach Artefakten der angeblich siegreichen Schlacht des Eburonenkönigs Ambiorix gegen die Soldaten Gaius Julius Cäsars im Gallischen Krieg eher an der Oberfläche. Hand aufs Herz: Gab es diese Schlacht tatsächlich? Sind römische Kampfspuren im Rurtal bei Blens nachgewiesen, oder doch alles Fiktion, schließlich wurde Ambiorix und die Eburonen von Cäsar nachgewiesenermaßen vernichtet. Und Sie wollten der Widerstandsfähigkeit der Eifler nur ein augenzwinkerndes Denkmal zu setzen?
Breuer: Ja, diese Schlacht gab es tatsächlich. Julius Caesar, der Niederlagen gar nicht mochte und auch nicht unbedingt gewohnt war, beschreibt sie selbst in seinem „Gallischen Krieg“, den jeder Lateinschüler irgendwann einmal kauen muss. Ambiorix ist bis heute im benachbarten Belgien ein großer Volksheld, bei uns fast gänzlich unbekannt. Das Schlachtfeld ist bis heute nicht lokalisiert, der Nordeifeler Pfarrer und Heimathistoriker Andreas Pohl hatte es sich zu seinem zentralen Forschungsprojekt erkoren. Vielleicht findet Opa Bertold es ja tatsächlich noch – oder ich, wer weiß? Und ich gebe es zu, irgendetwas gefällt mir an der historischen Beobachtung, dass sich alle bewaffneten Fremden in der Eifel schwer getan haben. Die Eifel ist bei all ihrer Schönheit, die sich heute auch touristisch erschlossen zeigt, immer noch ein wenig sperrig und geheimnisvoll geblieben.

Wie geht es mit Opa Bertold jetzt weiter? Wie viele literarische Romanleben geben Sie ihm noch? Irgendwann muss er ja doch das Zeitliche segnen?
Breuer: Lorenz ist Mitte Siebzig und noch ziemlich gut beieinander. Wie ich ihn kenne, wird er auch noch kriminalisieren, wenn er ein paar Pflegestufen weiter ist. Ich mag den schrägen Kauz, und er hat noch einiges zu tun. In der gesunden Eifeler Luft, mit guten Freunden und einer tüchtigen Portion nie versiegender Neugier kann man auch ein dreistelliges Alter erreichen...

Termine

KBV-Autorenlesungen vom 20.-28.5.2012
Alle Angaben ohne Gewähr – Stand: 15.5.2012

Sonntag, 20.05.2012
RALF KRAMP, JACQUES BERNDORF, HUBERT VOM VENN, HEINO
JAZZTROMPETER PROF. HANS-PETER SALENTIN, BAUCHTÄNZERIN FATIMA COLLINS
MODERATION ACHIM KONEJUNG
BENEFIZ-Aufführung für das „Kulturhaus theater 1“
Ort: Münstereifel Seniorenzentrum, Otterbach 80, 53902 Bad Münstereifel
Beginn: 18.00 Uhr

15. Mai 2012, von Markus 'Markus S.' Schaffarz

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