Preview (Kino): Mit ganzer Kraft - Hürden gibt es nur im Kopf

Nils Taverniers erzählt in seinem brillant besetzten Drama Mit ganzer Kraft nicht die Geschichte eines gehbehinderten Jungen, sondern die eines erwachsen werdenden Teenagers, der auf lebensbejahende Weise den Erwachsenen zeigt, dass Hürden nur im Kopf bestehen.

Julien (Fabien Héraud) wird bald 18 Jahre alt und ist von Geburt an gehbehindert. Er selbst sieht darin kein Hindernis, genauso von Abenteuer und der ersten Liebe zu träumen wie jeder andere Teenager auch. Doch am meisten kämpft Julien um die Anerkennung seines Vaters Paul (Jacques Gamblin), der sich nicht mit der Behinderung abfinden konnte und sich immer mehr von seinem Sohn entfernte. Er flüchtet lieber in seine Arbeit, als sich mit seiner Familie auseinandersetzen zu müssen. Um endlich einen Zugang zu dem ehemaligen Leistungssportler Paul zu erlangen, fasst Julien den Entschluss, mit seinem Vater den Ironman zu bewältigen ...

Mit ganzer Kraft - Hürden gibt es nur im Kopf (Quelle: mitganzerkraft.de)Mit ganzer Kraft zeichnet sich durch eine starke Bildsprache aus. Beispielsweise führt Regisseur und Drehbuchautor Nils Tavernier seine Charaktere nur mithilfe von Bildern ein. Noch bevor ein Wort gesprochen wird, ist klar, dass sich Paul lieber in seine riskante Arbeit stürzt, als sich mit seiner Familie und seinem gehbehinderten Sohn auseinanderzusetzen. Julien sehnt sich nach der Nähe seines Vaters und ist überglücklich, als dieser nach längerer Zeit nach Hause kommt. Juliens Schwester Sophie (Sophie de Fürst) kränkt das gefühlskalte Abweisen des Vaters, zu überraschen scheint es sie aber nicht. Ein weiteres Beispiel für die vielsagende „Mise en Scéne“ ist der leere Rollstuhl, den Julien als Aufforderung für seinen Vater in der Garageneinfahrt positioniert als Symbol für den Trotz und die Willensstärke des Teenagers.

Mit ganzer Kraft - Hürden gibt es nur im Kopf (Quelle: mitganzerkraft.de)Tavernier lässt seine Figuren viel sagen, ohne dass sie tatsächlich viel sprechen müssen. Die überzeugende und vielsagende Körpersprache der stark besetzten Figuren unterstützt das zentrale Motiv des Schweigens. Durch die belastende häusliche Stille und der konträren weiten und beruhigenden Landschaft bekommt ebenfalls der Zuschauer die beklemmende und erstickende Enge im Haus zu spüren, unter der Paul leidet. Alle tragen Erwartungen an ihn als Vater und Ehemann heran, der er sich anfangs nicht stellen will - und kann. Der Schraubstock um Jacques Gamblin zieht sich immer enger zu. Im Kontrast zu Pauls Ohnmacht steht Clairs (Alexandra Lamy) Fürsorge für ihren Sohn.

Mit ganzer Kraft - Hürden gibt es nur im Kopf (Quelle: mitganzerkraft.de)Faszinierend schafft es Tavernier, dass nicht der Rollstuhl im Mittelpunkt steht, sondern Julien als typischer Teenager, der seine Grenzen austesten, erwachsen werden und aus der Übersorge der Mutter ausbrechen will. Der Regisseur erklärt, er wollte einen Protagonisten schaffen, den man betrachtet und sobald man sein Anderssein akzeptiert hat, nicht mehr den behinderten Jungen sieht, sondern nur noch seine Lebensenergie, die er auf seine Mitmenschen ausstrahlt. Diese Erfahrung machte er selbst bei der Entstehung seines Dokumentarfilms über eine neurologische Abteilung eines Pariser Krankenhauses. Als Vorbild für seinen Spielfilm diente zudem die Geschichte eines Amerikaners, der mit seinem behinderten Sohn inzwischen an mehr als 1.000 Sportwettkämpfen teilgenommen hat. In dem jungen Fabien Héraud fand Tavernier die richtige Besetzung für seinen Helden. Der Regisseur entschied sich auf Anhieb für ihn, da er auch im realen Leben genau diese Lebensfreude und Energie versprühe - wie bei Julien vergisst man bei Fabien den Rollstuhl.

Mit ganzer Kraft - Hürden gibt es nur im Kopf (Quelle: mitganzerkraft.de)Schließlich ist Julien derjenige, der den Erwachsenen zeigt, über die eigenen Grenzen zu gehen, dass Hürden eben nur im Kopf bestehen. Selbstbewusst reagiert er auf die Abweisung des Ironman-Komitées und erwirkt durch sein kämpferisches Auftreten doch noch die erwünschte Startnummer. Hier inszeniert Tavernier seinen Protagonisten mit viel Charme als rebellischen Jugendlichen. Er lernt, an seine Willensstärke zu glauben. Ob mit einer selbstgefälligen Oma oder mit einem Aufsichtsrat des Ironman konfrontiert - Julien bietet ihnen problemlos Paroli.

Mit ganzer Kraft - Hürden gibt es nur im Kopf (Quelle: mitganzerkraft.de)Der Ironman steht metaphorisch für die Annäherung zwischen Vater und Sohn: Es geht nicht darum, den Triathlon möglichst schnell und gut zu bezwingen, sondern darum, ihn gemeinsam als Team zu meistern, egal wie lange und beschwerlich er ist. Feinfühlig zeigt Tavernier auf eine lebensbejahende Weise, mit welchen Herausforderungen eine Familie mit einem gehbehinderten Kind konfrontiert wird. „Es ist nicht schlimm, wenn wir den Ironman nicht schaffen, Papa“, sagt Julien am Abend vor dem Startschuss. Für ihn ist es wichtiger, dass sein Vater gemeinsam mit ihm erst soweit gekommen ist. „Doch, es ist schlimm. Ich will den Ironman mit dir bis zum Ende machen!“, antwortet Paul aufrichtig und hat erkannt, dass er zu seinem Sohn steht und gemeinsam mit ihm alle Hindernisse in Angriff nehmen will.

Fazit

Feinfühlig, leise und ohne Klischees geht es um das Sich-Annähern von Vater und Sohn. Das gemeinsame Trainieren für den Ironman steht dabei metaphorisch für die Herausforderungen aber auch die Erfolge, die eine Familie mit sich bringt. Mit ganzer Kraft ist ein sehr authentischer und lebensbejahender Film. Absolut sehenswert!

4. September 2014, von Katharina 'Katharina S.' Späth

Mit ganzer Kraft - Hürden gibt es nur im Kopf (Quelle: mitganzerkraft.de)
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Mit ganzer Kraft - Hürden gibt es nur im Kopf

Kino

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Release04.09.2014
DarstellerJacques Gamblin Alexandra Lamy Fabien Héraud Sophie de Furst Pablo Pauly Xavier Mathieu Fred Epaud Christelle Cornil
RegieNils Tavernier

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