Review (PC): Mass Effect 2

Die Saga geht weiter. Die Rollenspiel-Götter von Bioware inszenieren nach dem großen Erfolg des ersten Mass Effect eine düstere, grandiose Fortsetzung. Ein actiongeladenes Rollenspiel-Erlebnis in einer glaubwürdigen Welt mit spannender Story und beispiellos epischen Dialogen.
Vorweg die Geschehnisse aus dem ersten Teil zu rekapitulieren, würde an dieser Stelle den Rahmen sprengen. Wer Mass Effect kennt, weiß auch...

...dass es kaum Sinnmachen würde, denn bekanntlich stellt uns der Hit aus dem Hause Bioware vor die Wahl, was den Ausgang wichtiger Handlungsstationen angeht. Im Prinzip hat also jeder ein etwas anderes Mass Effect 1 gespielt. Das Beste dabei ist: Die Entscheidungen, die wir in Teil 1 trafen, geben uns nicht nur das Mittendrin-Gefühl, sie beeinflussen auch die Handlung des zweiten Teils, Dialoge und Zwischensequenzen verlaufen dann dementsprechend anders.

Wer noch ein Savegame von Mass Effect 2 auf der Festplatte hat, braucht sich auch nicht an den Anblick eines neuen Shepard zu gewöhnen, der erstellte Charakter wird komplett übernommen. Wer Teil 1 nicht gespielt hat, kommt tatsächlich etwas in die Bredouille, denn Mass Effect 2 führt keinerlei Figuren detailliert ein. Wer nicht weiß, mit wem man es zu tun hat, sollte im Mass Effect-Wiki oder anderweitig im Netz recherchieren, denn Hintergrundwissen zu den Charakteren ist essentiell, um an den Dialogen und Cutscenes wirklich Freude haben zu können.

Ein Auftakt nach Maß wuchtet uns direkt in die Story hinein: Die Normandy wird von einem unbekannten Kreuzer angegriffen und hat den Strahlen kaum etwas entgegenzusetzen. In einer dramatischen Sequenz kann unser Alter Ego, Captain Shepard (seinen Vornamen dürfen wir selbst wählen), Befehlshaber der Normandy-Crew, den Piloten Joker gerade noch überzeugen das Schiff aufzugeben und sich zu retten. Für uns jedoch kommt jede Rettung zu spät, die Normandy zerfetzt es und Captain Shepard ward nie mehr gesehen.

Schock! – was ist passiert? Bricht Bioware mit allen Konventionen und lässt den Protagonisten bereits im zweiten Teil der Trilogie das Zeitliche segnen? – Nein, keine Angst. Shepard sehen wir bereits kurze Zeit später wieder. Ein Organisation namens Cerberus, die im Vorgänger beiläufig erwähnt wurde, hat den Leichnam des Captain quasi ausgebuddelt und päppelt ihn biotisch wieder auf. Bis auf ein paar kleine Narben im Gesicht sieht Shepard dann auch wieder so putzmunter aus, wie wir ihn gern haben. Die Cerberus Organisation braucht unsere Hilfe, zahlreiche Kolonien sind bereits zerstört und kurz darauf finden wir heraus wer dahinter steckt, es sind die ominösen Collectors. Unser Auftrag, den uns der Unbekannte erteilt, lautet natürlich diese zu stoppen, zu diesem Zweck rekrutieren wir ein Team zusammen, dass uns auf einer finalen Suicide Mission begleitet und gegen die Collectors in den Kampf zieht.

Zu Beginn wählen wir zunächst einmal eine Klasse für unseren Helden. Soldier, Vanguard, Adept, Infiltrator – alle haben natürlich unterschiedliche Fähigkeiten, die wir im Laufe Spiels durch verdiente Punkte bei Levelaufstiegen ausbauen. Dabei wurde das gesamte Charaktersystem gegenüber Teil 1 geschrumpft, Rollenspiel-Liebhaber werden daher mit der Nase rümpfen. Die wenigen Fähigkeiten, die bleiben, sind aber sinnvoll und passen zu den unterschiedlichen Teammitgliedern. Wer gar keine Lust hat, die Punkte für alle Squad-Mitglieder einzeln zu verteilen, kann sogar die Auto-Level-Up Funktion aktivieren, damit dürfte aber der Spaß daran das Optimum zu finden ganz auf der Strecke bleiben. Die Team-Mitglieder, unter denen sowohl altbekannte als auch neue Gesichter sind, rekrutieren wir in je rund 1 bis 1,5 Stunden langen Missionen, in denen es manchmal um eine wichtige Sache geht und in der die Betroffenen unsere Hilfe brauchen. Bei einigen Leuten kennen wir die Identität nicht und finden erst beim ersten Treffen heraus, um wen es sich handelt. Wir arbeiten stur die Liste ab, die uns der Unbekannte, mit dem wir zwischendurch immer wieder die Lage besprechen, gegeben hat.

Herzstück von Mass Effect sind die Dialoge, die einen großen Einfluss auf unser Verhältnis zu anderen Charakteren haben und auch auf die Art und Weise, wie wir den Auftrag erledigen. Grundsätzlich bietet das Charaktersystem die Möglichkeit, sich für ein gute und eine aggressive Haltung zu entscheiden. Je nachdem auf welche Art wir Situationen lösen, erhalten wir Punkte für die beiden Seiten. Je nach Stand zwischen Gut (Paragon) oder Böse (Renegade) schalten wir mehr aggressive oder diplomatische Dialogoptionen frei. Durch erledigen von Nebenaufträgen und kleineren Jobs sammeln wir vor allem Credits (Geld) und natürlich Erfahrung. Durch Erledigen von Missionen für unsere Squad-Mitglieder verdienen wir uns deren Loyalität und verbessern unser Verhältnis zu ihnen, was neben der Möglichkeit einer Liebschaft (schon Teil 1 sorgte mit Sexszenen für Furore) auch die Dialogoptionen beeinflusst und weitere Fähigkeiten der einzelnen Charaktere zur Nutzung in Gefechten freischaltet.

Im Mittelpunkt der Gefechte, in die wir im Minutentakt geraten, steht die Nutzung der biotischen oder technischen Waffenfähigkeiten. Neben der Möglichkeit, unseren Squad-Mitgliedern (im Gegensatz zur finalen Mission dürfen wir für Aufträge während des restlichen Spiels nur zwei Leute zur Begleitung auswählen) Positionsangaben zu befehligen, entscheiden wir auch wann diese ihre Fähigkeiten nutzen sollen. Entweder in Echtzeit oder per Druck auf die Taktik-Taste, die das Spielgeschehen anhält, wählen wir Angriffsmodi, die Waffe oder auch unterschiedliche Munitionstypen aus, die je nach Gegnertyp unterschiedlichen Schaden machen. Unsere Zentrale ist natürlich unser Raumschiff (die Normandy), auf der wir das Sagen haben. Von hier aus wählen wir auf der Sternenkarte das nächste Reiseziel innerhalb der Milchstraße. Zwischen den Missionen empfiehlt sich ein Smalltalk mit den Crew- und Teammitgliedern, um Sympathien zu erhöhen, nach zusätzlichen Aufgaben Ausschau zu halten oder weitere Upgrades zu erfragen.

Zum Entwickeln von Upgrades oder Prototypen für unsere Waffen, Rüstung oder die Normandy benötigen wir Rohstoffe wie Platinum, Palladium, Iridium und das ominöse Element Zero, die wir durch das Scannen von Planeten finden und abbauen. Dabei begegnet uns ab und zu auch eine Anomalie, die es zu untersuchen gilt. Diese Miniaufträge sind allerdings wirklich Mini, länger als fünf Minuten benötigen wir selten. Dafür sind die Ausflüge, ebenso wie auch alle anderen Missionen, äußerst abwechslungsreich gestaltet. Nicht nur die Aufgaben, sondern auch die Umgebungen mit denen wir es in Mass Effect 2 zu tun bekommen, sind sehr unterschiedlich.

Grafisch hat sich gegenüber Teil 1 nochmal einiges getan, allerdings ist die Unreal Engine 3 mittlerweile doch in die Jahre gekommen, vielleicht winkt ja Teil 3 mit einem gänzlich neuen Grafikgerüst. Dennoch kann sich die Spielwelt sehen lassen, vor allem dank der detaillierten Charaktermodelle und besonders den toll animierten Gesichtszügen, die die ohnehin fantastischen und interessanten Dialoge noch glaubwürdiger machen. Bei kaum einem anderen Spiel hat man derart das Gefühl es mit echten Personen statt Polygonhaufen zu tun zu haben. Dazu trägt auch die 1A Vertonung bei, alle Sprecher leisten einen super Job, der Soundtrack begleitet die emotionalen Spielmomente hervorragend und erzeugt regelmäßig Gänsehaut. Atmosphärisch dürften einige der Missionen und besonders der Zwischensequenzen, vor allem das Finale, einen Meilenstein darstellen. Schon bei „Dragon Age: Origins bewiesen die Leute von Bioware jüngst ihre Fähigkeit und ihr besonderes Gefühl dafür, diese Momente richtig in Szene zu setzen. Hier kann ich nur noch einmal sagen - Hut ab!

Fazit:
Es fällt schwer, Mass Effect 2 von einem objektiven Standpunkt aus zu bewerten. Klar hat das Spiel Schwächen, das Charaktersystem wurde so ausgedünnt, dass die Bezeichnung „Rollenspiel"" kaum noch greift. Nicht wenige bezeichneten schon Teil 1 als Actionspiel mit RPG-Elementen, auf Teil 2 trifft dies auf jeden Fall zu. Doch das alles ist schnell vergessen, wenn man erstmals in die Spielwelt eingetaucht ist und das Mass Effect Universum lebt. Denn anders geht es nicht, eine andere Spielerfahrung funktioniert gar nicht. ICH BIN Captain Shepard, die Besatzung der Normandy ist meine Crew. Diese Abenteuer, diese Spielwelt .. wer Mass Effect nicht fühlt, fühlt auch kein anderes RPG. Kein anderes Studio beherrscht das Herstellen einer innigen Bindung zwischen Spieler und Protagonist so wie Bioware. Wer Teil 1 liebte, wird Mass Effect 2 eh schon im Regal haben, allen anderen sei es ebenso ans Herz gelegt. Teil 1 nachzuholen ist nicht zwingend, kann aber die Erfahrung nur noch faszinierender machen. Jetzt entschuldigt mich bitte, ich stürze mich in Durchgang 2 und gehe auf Achievement-Jagd, vielleicht diesmal im Insanity-Schwierigkeitsgrad?

15. März 2010, von Stefan S. 'Stefan S.'

Mass Effect 2

PC Spiel

GenreAction-Adventure Rollenspiel
Publisherak tronic
Release15.08.2012
DistributorElectronic Arts
EAN4012160420501