Review (PC): Abschleppwagen-Simulator 2010

Willkommen, liebe Simulationsfreunde. Fühlt euch herzlich eingeladen, mich auf einer subjektiven Reise in ein Genre zu begleiten, das ich wohl freiwillig nicht mit der Kneifzange anfassen würde: Der deutschen Simulation. Spießig wie eine westdeutsche Gartensparte, farblos wie Berlin am grausten aller Herbsttage und undurchsichtig wie das bundesdeutsche Beamtenwesen. Und das war nur das Cover der DVD-Hülle...

Lasst uns konkret werden - es ist Zeit abzuschleppen. Und mit diesem kleinen Appetizer geht es auch gleich hinein ins Vergnügen. Gliedern wir das ganze mal ein wenig, um nicht in den Wirren der bösen Worte, die, so viel sei verraten, zuhauf fallen werden, unterzugehen.

Los geht es mit der Story von ""Abschleppwagen-Simulator 2010"": Nada.

Nächster Punkt.

Wir haben die Möglichkeit uns einen Namen zu geben, und obwohl „Warum hasst Gott mich so?" nicht hineinpasst, ist das irgendwie noch der spaßigste Teil dieses digitalen Autounfalls.
Von den „Einstellungen" rate ich tunlichst die Finger zu lassen. Der für den Test benutzte Rechner verhält sich zu den Mindestanforderungen, wie die Raumfahrt zu dem Augenblick, als der erste Urmensch einen vom Blitz entzündeten Ast zum Feuermachen benutzt hat.

Leider ist das keine Voraussetzung dafür, dass man hier wundervolle und pfeilschnelle Bilderpracht bestaunen darf. Selbst in den Default-Grafikoptionen (1024x768) ruckelt das Ganze wie San Francisco bei Plattentektonik und bleibt auch gerne mal für mehrere Sekunden, im Idealfall für immer hängen. Dabei zeigt sich uns auf der Mattscheibe eine derartig hingerotzte und –kotzte - Entschuldigung - für eine Grafik, dass einem die Augen mit Freude nach innen rotieren. Wir haben Fahrzeuge mit flackernden Polygonen, Objekte (Häuser, Mülltonnen, Bushaltestellenschilder, die außerhalb der befahrbaren Straßen in der Luft zu schweben scheinen, und entwicklerseits wohl ein leichtes Problem mit der Wahrnehmung von Größenverhältnissen. Hässlich, hässlich und noch einmal hässlich!

Der Inhalt des Spiels gestaltet sich dann zum Glück konvergent dazu in dümmlichster Art und Weise. Man bekommt eine Bildschirmeinblendung, dass hier oder da ein Auto falsch parkt oder ein Unfallwagen steht und man das jeweilige Vehikel doch bitte mal abschleppen soll. Unterschiede? Die Worte „falsch parken" und „Unfallwagen", ansonsten ist das immer das gleiche antizipiere ich nach ganzen drei mehr oder weniger abgeschlossenen Missionen.

„Lässt es sich denn dann wenigstens so richtig schön simulationistisch steuern?", wimmert der Abschleppwagenfan (gibt es wirklich Abschleppwagenfans? Oh Gott!). Und ich muss ihm wahrheitsgemäß antworten: „HAHAHAHA! Wie kommst du auf solch irrige Annahme, Narr?"

Wir starten unseren Abschleppkreuzer auf dem Gelände der Zentrale und brausen mit maximal guten 45 km/h durch die Tore in den geschäftigen (als ob) Stadtverkehr, wenn uns das Geruckel denn lässt und wir nicht direkt in die nächste Laterne, Ampel, Verkehrszeichen oder Mauer-/Zaunecke „jagen", an der wir entweder abbumpern wie eine Flipperkugel oder insektengleich, als wäre das da vor uns Fliegenpapier, unbeweglich hängen bleiben. Und dann heißt es: Grübeln. Pfeil-Oben ist nach vorn fahren, schön und gut. Aber Pfeil-Unten ist nicht rückwärtsfahren! Nein, mit „A" wird in den Rückwärtsgang geschalten, wobei sich auch gleich die gesamte Kameraperspektive um 180C° dreht.
Falls dies noch nicht plastisch genug ist, hier eine kurze Zusammenfassung, welche Tasten nötig sind, um den Kran zu steuern (hin und her schwenken, ausfahren usw.): Oben, Unten, Rechts, Links, J, G, T, U, Y, H. (KEIN! SCHEIß!)

Ich verstehe ja, dass eine Simulation, halt genau das tun will, die „richtige" Steuerung eines solchen Gerätes wiedergeben, aber hätte man sich da nicht ein paar schlauere Belegungen ausdenken können? Im Falle des Krans wirkt das Handling, als hätte der zuständige Programmierer die Tastenbelegung mit „Blind mit dem Hammer auf die Tastatur hauen und dann gucken, welche Knöpfe noch drauf sind"" ermittelt. Schlimm.

Kommen wir zum Höhepunkt.

Ich zerfetze den Backcover-Text.

„Abschleppwagen-Simulator 2010"
Das heißt, die wollen da jetzt jedes Jahr einen bringen? Rette mich, wer kann!

„Jetzt muss nicht mehr gewartet werden, bis der Abschleppdienst kommt! Jedem Autofahrer graut es davor: Das eigene Auto ist abgeschleppt worden. Das kann Ihnen in diesem wirklichkeitsnahen Simulationsspiel nicht passieren."

Was haben wir hier? Ein zwölfjähriger Praktikant, der dazu verdonnert wurde, sich eine unglaublich mitreißende Einleitung einfallen zu lassen, dabei aber darauf zu achten, so oft wie möglich „Abschleppen" einzubauen und ja brav den (sich mindestens in den Mittvierzigern befindenden) Kunden zu Siezen. Ohauerha.

„Tauschen Sie lieber einmal die Rollen und fahren Sie selbst bis zu vier verschiedene Abschleppwagen. Setzen Sie dabei clever Kran und Seilwinde ein oder kombinieren Sie beides miteinander, um falsch parkende, liegen gebliebene oder in Unfälle verwickelte Fahrzeuge abzuschleppen""
Das ist tatsächlich der gesamte Spielinhalt! Über das „clever"" musste ich aber schon ein wenig dreckig lachen.

„Erkunden sie eine frei befahrbare, detaillierte 3D-Welt und lassen Sie sich von den Fahreigenschaften der jeweiligen Fahrzeuge begeistern." <br
Mal ehrlich, wer benutzt denn in einem Text, der für sein Produkt werben soll, Wörter wie „jeweiligen"? Und frech belogen werden wir hier auch noch. Detailliert? Wohl nicht! Frei befahrbar? Ja, GTA V kann einpacken! (DAS war sarkastisch!)

Und jetzt wird etwas aufgezählt, dass jedem, der dieses Spiel je erleiden musste, die Wut ins Gesicht steigen lässt.

„- Realistische Bewegungen der Fahrzeuge, Kräne und Winden, die auf der NVIDIA® PhysX™ -Technologie basieren.""

Ja sicher, nur… in WELCHER Realität? Die unsere wird es wohl nicht sein. Da fliegen gerammte Pkws wie getretene Coladosen durch die Luft, da richten sich umgekippte Abschleppwagen wie von Geisterhand selbst wieder auf und Autos die am Kran hängen, wehen bei voller Fahrt (wir erinnern uns, fast 50 km/h) wie ein Fähnchen im Wind. Danke liebe NVIDIA® PhysX™ -Technologie, dass du uns diesen unglaublichen Realismus ermöglichst. (Ja, wieder sarkastisch)

„-Dynamisches Generieren von Missionen""

Letzter erwähnenswerter Punkt und (knapp vom „Realismus"" geschlagen) auch der zweitlächerlichste. diese „dynamisch generierten"" Missionen bedeuten in unsere Sprache übersetzt: Irgendein Auto muss irgendwo abgeholt werden und zwar aus einem der drei vorher genannten Gründe. Bei dieser Dynamik wird mir ja ganz schwindelig. (Jetzt reicht es aber auch wieder mit dem Sarkasmus).

Fazit:

Abschleppwagen-Simulator 2010 - Das ist also ein Vertreter dieser ominösen, ständig die Software-Verkaufscharts anführenden Simulationskatastrophen (Anm. des Lektors: Und ja, Katastrophe wurde hier ausnahmslos geliefert.

Wie schon eingangs erwähnt, bin ich nicht gerade der Vorzeige-Simulationsspieler, also auch alles andere als die Zielgruppe für diese Art der Freizeitbeschäftigung. Aber mal im Ernst, liebe Freunde der Sonne, damit kann man doch nicht wirklich freudvoll seine Freizeit verplempern. Wenn einer an Baggersims (oh, dräuend Ungemach…) oder Landwirtschaftsrumgefrickel seinen Spaß hat, kann ich das auf eine wirre, doch liebenswürdige Art und Weise nachempfinden. Aber hier hört der Spaß nicht auf, hier fängt er gar nicht erst an.

Abschleppwagenfahrer, ein Beruf, den ich wohl aus gutem Grund nie in Erwägung zog."

11. November 2010, von Reinhard 'Reinifilm' Rieß

Abschleppwagen-Simulator 2011

PC Spiel

GenreSimulation
Publisherastragon
EAN4041417312191