Quantensprung im 3D-Druck: Die industrielle Fertigung der Zukunft kommt aus Österreich

Die additive Fertigung - im Volksmund 3D-Druck genannt - gilt als zukünftige Schlüsseltechnologie und steht am Anfang der breiten industriellen Anwendung. Den Weg in diese Zukunft ebnet das Unternehmen aps techsolutions aus Vorarlberg mit dem Wizard 480+. Als weltweit erstes Fertigungssystem kann der Wizard Funktionsbauteile aus einer Kombination von Hochleistungspolymeren[1] und Endlosfasern drucken und dabei sogar Metalldrähte verarbeiten. Das volle Potential dieser Erfindung lässt sich derzeit nur ansatzweise erahnen.

1960 konstruierte Theodore Maiman den ersten funktionsfähigen Laser, eine bahnbrechende Erfindung, deren praktische Anwendungsmöglichkeiten sich jedoch erst nach und nach erschlossen. Maiman selbst bezeichnete sie daher als „Lösung, die nach einem Problem sucht“[2]. Heute löst der Laser vielfältige Probleme, von der Metallverarbeitung über medizinische Eingriffe bis hin zum World Wide Web.

Zahlreiche Erfindungen blicken auf eine ähnliche Geschichte zurück. Das Entwicklerteam des Vorarlberger Unternehmens aps techsolutions schreibt gerade seine eigene. 2017 suchten die Maschinenbauer aus Höchst nach einem additiven Fertigungssystem - sprich einem 3D-Drucker auf Industrie-Niveau - um unterschiedliche Materialen und dabei insbesondere Endloscarbonfaser in einem Bauteil verarbeiten zu können. Das System sollte außerdem hohe Präzision und Wiederholgenauigkeit gewährleisten sowie erweiterbar und ausbaufähig sein. Die Suche blieb erfolglos - es gab schlichtweg keinen 3D-Drucker, der diese Anforderungen erfüllte. Das Entwicklerteam fasste daher den Entschluss, sein eigenes System zu konstruieren.

Das dies schließlich gelang, ist nicht nur der Expertise und dem Erfindungsreichtum, sondern auch dem starken Teambewusstsein der Ingenieure von aps techsolutions zu verdanken. Dass alle Mitglieder des Entwicklerteams kompromisslos am selben Strang ziehen, zeigt sich nicht zuletzt in der Tatsache, dass es auch für Statements geschlossen auftritt.

Erst das Material, dann die Verarbeitung
Statt sich an bisherigen Lösungen zu orientieren, begann die Reise in der Materialforschung. „Wir haben uns zunächst nicht auf die Verarbeitung, sondern auf das Material konzentriert, aus dem wir Bauteile fertigen wollten - also auf Endloscarbonfaser“, so das Entwicklerteam. Im Bereich der additiven Fertigung gilt der Endlosfaserdruck als Königsklasse. Ein Bauteil aus einer kontinuierlichen Materialfaser zu fertigen, verspricht hohe Festigkeit - umso mehr, wenn Kohlenstoff verwendet wird. Bauteile, die mit einer solchen Endloscarbonfaser gedruckt werden, sind in ihrer Belastbarkeit im Verhältnis zum Gewicht vergleichbaren Teilen aus Titan, Aluminium und Stahl weit überlegen. „Wir haben zunächst unsere eigene Endloscarbonfaser entwickelt, durch die diese Vorzüge noch stärker zu tragen kommen. Danach haben wir ein System geschaffen, um diese Fasertechnologie nutzen zu können“, erklärt das Entwicklerteam.

Weltweit einzigartig
Das Ergebnis ist der Wizard 480+. Über drei Jahre Entwicklung stecken in der Industriemaschine, die eine Reihe innovativer Lösungen in sich vereint. Die einzigartige Druckkopftechnologie sticht dabei besonders heraus. Sie macht den Wizard zum weltweit einzigen additiven Fertigungssystem, das Funktionsbauteile aus einer Kombination von Hochleistungspolymeren und Endlosfasern fertigen sowie Metalllitzen (wie Kupferdraht) verarbeiten kann. Erfahrene Konstrukteure können dadurch Bauteile konstruieren, die in vielen Varianten elektrisch leitfähig, extrem belastbar, aber sehr leicht und an bestimmten Stellen sogar elastisch sind. Der Industrie eröffnen sich auf diese Weise neue Möglichkeiten in der Fertigung.

Herausforderungen gesucht

„Durch unser System können die Funktionen von Bauteilen völlig neu gedacht werden“, so Lechner. „Seine Vorteile zeigen sich aber auch schon in den Basics. Hier ein Beispiel: Unser Team benötigte für die Herstellung eines Bauteils eine Teilscheibe[3
. Da der ursprüngliche Hersteller dieser Teilscheibe nicht mehr am Markt aktiv war, hätte die Beauftragung eines Spezialunternehmens Kosten von circa 700 Euro und eine Lieferzeit von mindestens fünf Wochen bedeutet. Mit dem Wizard konstruierten unsere Ingenieure die Scheibe innerhalb einer Stunde und druckten sie in drei Stunden mit Materialkosten von nur fünf Euro aus.“]

Abseits solcher Standardprozeduren gilt: Je spezieller die Anforderungen an ein Bauteil, desto weniger 3D-Drucker können diese erfüllen. Manche Fertigungsprozesse sind derzeit ausschließlich mit dem Wizard möglich, andere erfahren durch ihn einen enormen Qualitätsschub. Im Auftrag von "Swiss Innovation - Swiss Smart Factory" verbesserte aps techsolutions etwa die Stabilität eines Drohnenarms substantiell. Die Konstruktion selbst blieb unverändert, den entscheidenden Unterschied lieferte die Technologie der Vorarlberger.

Die additive Fertigung mittels Endlosfaserdrucks gilt in der Fachwelt als Schlüsseltechnologie der Zukunft. Mit dem Wizard 480+ rückt diese Zukunft bereits jetzt in greifbare Nähe. Anfragen für die Industriemaschine gibt es aus aller Welt, von Japan bis zu den größten Tech-Unternehmen in den USA. Zeitgleich arbeiten Forschungseinrichtungen wie das deutsche Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR) daran, das Potential des neuen Verfahrens sichtbar und vor allem nutzbar zu machen.[4] Denn in einem Punkt erinnert der Wizard stark an Maimans Laser: Er ist eine wegweisende Lösung, die noch nach weiteren Herausforderungen sucht.

Mehr Infos:

[1] Kunststoffe, die hitzebeständig und leichter als Metall sind.
[2] Theodore Maiman, who built the first laser, dies at 79 - The New York Times (nytimes.com)
[3] Teilscheiben werden verwendet, um punktgenau Bohrungen, Ausfräsungen etc an Werkstücken vorzunehmen.
[4] https://leichtbau.dlr.de/empowerax-gemeinsam-marktpotenziale-erschliesen

18. September 2021, von Markus 'Markus S.' Schaffarz