FFF-Review (Kino): Amer

Kundenservice der allermiesesten Sorte war das Erste, was einem im Cinestar Metropolis Frankfurt (dem Austragungsort des Fantasy Filmfest 2010) geboten wurde: Nur eine geöffnete Kasse bei einer Schlange, die teilweise aus 40 Leuten bestand! Erst als "AMER" dann begonnen hatte, ließ man sich doch noch herab, eine zweite Kasse zu öffnen und so war es sowohl mir als auch meinem Kollegen von Badmovies.de "dank" den Cinestar-Betreibern nicht möglich...

...die ersten Minuten von "AMER" auf der Leinwand bewundern zu dürfen.

Zum Film selbst: "AMER" handelt von Ana und beleuchtet prägende Ereignisse in ihrer Kindheit und ihrer Jugend sowie einen dramatischen Vorfall (ohne hier zuviel zu verraten), das ihr Leben als junge erwachsene Frau überschattet.

Eine wirkliche inhaltliche Zusammenfassung von "AMER" gestaltet sich jedoch äußerst schwierig, da er quasi völlig auf klassische Erzählstrukturen verzichtet und im ganzen Film höchsten zehn Sätze gesprochen werden. Stattdessen setzen die beiden Regisseure Hélène Cattet und Bruno Forzani radikal auf die Kraft ihrer perfekt komponierten Bilder und einer eindrucksvollen Klanguntermalung, so dass "AMER" öfters in Richtung avantgardistischen Experimentalfilm tendiert. Hinzu kommen kraftvolle 70er Jahre Original-Filmscores von Komponisten wie Ennio Morricone und Bruno Nicolai, die die gewaltige Wirkung der Bilder noch verstärken.

Und damit wären wir bei den großen Vorbildern: "AMER" besteht aus einer Vielzahl von audiovisuellen Zitaten europäischer Horror- und Thrillerklassiker aus den 70ern, allen voran aus dem Giallo-Bereich - ein Genre, in dem es in den letzten Jahren bis auf ganz wenigen Ausnahmen (z.B. "Eyes of Crystal") kaum noch Veröffentlichungen gab. Doch AMER erweckt die Erinnerungen an die Meister des Genres und daher gibt es immer wieder Sequenzen, die von Mario Bava, Dario Argento, Lucio Fulci, Francesco Barilli, Massimo Dallamano, Sergio Martino oder Pupi Avati in ihren Blütezeiten erschaffen sein könnten.

Und so begnet einem die gesamte Symbolik des Genres: Schwarze Lederhandschuhe, Rasier- und Springmesser, erotische Andeutungen und nackte Tatsachen, ein verfallenes gruseliges Haus, bedrohliche Kinder, beschädigte Puppen, tote Tiere und die unangenehme Darstellung exzessiver Gewalt, die nicht vor dem Zeigen von Details zurückschreckt.

Allerdings wird bei AMER nicht nur zitiert, sondern die Zitate erfahren eine eigene Ãœberhöhung: Es werden nicht nur massig Augenzooms gezeigt, sondern die Kamera zoomt auch schon fast in die Augen hinein oder eine Tür knallt nicht nur einmal zu, sondern das Knallen wird durch kurze Flashbacks exzessiv wiederholt. Gruselige Geräusche werden so stark übersteigert, dass sie sich fast ins Gehirn fressen und Farben können so kräftig sein, dass sie die Sehnerven betäuben.

Und damit zeigt sich AMER auch als ein Film, der mehr audiovisuelles Erlebnis als Geschichte ist. Seine Natur bringt es schon mit sich, dass er nicht alle Zuschauerinnen und Zuschauer wirklich ansprechen wird, zu surreal ist das hier Gezeigte und zu konventionssprengend seine Machart. Wer sich jedoch darauf einlässt, erlebt einen einmaligen Klang- und Farbenrausch, der sich kaum in Worte fassen lässt - bleibt nur zu hoffen, dass Koch Media als deutscher Publisher AMER nochmal auf die große Wand bringt oder diesem kleinen Meisterwerk zumindest eine Blu-Ray-Veröffentlichung spendiert!

Video

1. September 2010, von Reinhard 'Reinifilm' Rieß

Koch Media GmbH

Hersteller

Websitekochmedia.com

Mehr zu diesen Themen