Feature | Themenspecial "Antihelden" zu DER GESCHMACK VON ROST UND KNOCHEN

seit letzten Donnerstag läuft DER GESCHMACK VON ROST UND KNOCHEN im Kino. Der „Held“ des Film, Ali, ist eigentlich gar keiner: er hat keinen richtigen Job, kein Geld und ist kein guter Vater. Zu seinem Sohn, den er kaum kennt, hat er ein sehr zurückhaltendes Verhältnis, und auch mit seiner Schwester, die ihn und seinen Sohn bei sich aufgenommen hat, läuft es nicht sehr gut. Erst als er der jungen Killerwaltrainerin Stéphanie nach einem schweren Unfall, ohne es überhaupt zu merken, zu neuem Lebensmut verhilft, schafft er es, sich ein Stück weit zu öffnen

Themenspecial „ANTIHELDEN“

Der Held in DER GESCHMACK VON ROST UND KNOCHEN (seit 10. Januar im Kino) ist eigentlich gar keiner. Ali hilft zwar Stéphanie bei der Bewältigung ihres persönlichen Schicksalsschlages, das aber ohne jedes Mitgefühl und zunächst ohne daran selber als Persönlichkeit zu wachsen. Im Gegenteil: Als Vater ist er ein Versager, im Job ist er in kriminelle Machenschaften verwickelt, in ihm tobt eine unbändige Wut, die er nur über illegale Faustkämpfe stillen kann. Der klassische Antiheld, den das Publikum dennoch in all seiner Unvollkommenheit schnell ins Herz schließen kann, weil er – fast schon aus Versehen und mit teils fragwürdigen Methoden – doch das Richtige tut. In welchen Filmen gab es ähnliche Protagonisten?

LÉON – DER PROFI – Léon ist Auftragskiller. Er tötet schnell und zuverlässig und ist für die schwierigen Fälle zuständig. Doch auch er hat Regeln: Keine Frauen, keine Kinder. Privat ist er sehr einsam, hat weder Familie noch Freunde, ist wurzellos. Als eines Tages die Familie des Nachbarmädchens Mathilda von korrupten Polizisten des Drogendezernates umgebracht wird, rettet Léon das Mädchen und versteckt es in seiner Wohnung. Die Zwölfjährige schwört Rache an den Mördern ihrer Familie und schlägt Léon einen Deal vor: sie bringt ihm Lesen und Schreiben bei und hilft ihm im Haushalt, wenn er sie zur Auftragskillerin ausbildet. Was als Zweckgemeinschaft beginnt, entwickelt sich bald zu einer Art Freundschaft zwischen zwei sehr unterschiedlichen Menschen, für die Léon sogar sein Leben riskiert.

GRAN TORINO – Vor Kurzem ist Walt Kowalskis Frau verstorben, nun lebt er allein mit seinem Hund in einem heruntergekommenen Detroiter Vorort. In seiner Nachbarschaft wohnen viele eingewanderte Hmong, gegen die Walt rassistische Vorurteile hegt. Eines Tages verhindert er, dass der junge Thao im Rahmen eines Initiationsritus einer Gang Walts Ford Torino klaut, auch kann Walt einen Übergriff der Gang auf Thao im letzten Moment aufhalten. Ungewollt wird er zum Helden des Viertels, was ihm anfangs vollkommen widerstrebt. Nach und nach freundet sich der alte frustrierte Mann jedoch mit seinen Nachbarn an und verhilft Thao sogar zu einem Job. Als nach einer Prügelei mit einem Gangmitglied die Situation eskaliert, sieht Walt nur einen Weg, seine neuen Freunde zu retten – er muss sich selber opfern, um die Gang an die Polizei liefern zu können.

DRIVE – Der namenlose Driver ist tagsüber Mechaniker und Stuntfahrer, abends des Öfteren mal als Fluchtwagenfahrer bei Diebstählen und Raubüberfällen unterwegs. Privat ist der Driver sehr zurückhaltend und hat wenige Kontakte. Als er seine Nachbarin, die alleinerziehende Irene, und ihren Sohn Benicio kennen lernt, öffnet er sich ihr und verbringt viel Zeit mit den beiden. Der Driver fühlt sich zu ihr hingezogen. Als Irenes Ehemann Standard aus dem Gefängnis entlassen und gezwungen wird, einen Raub durchzuführen, hilft der Driver ihm, um Irene und Benicio zu schützen. Nach dem Überfall wird Standard hinterrücks erschossen, der Driver aber kann mit dem Geld flüchten und macht sich daran, die Zusammenhänge aufzuklären. Ihm wird klar, dass er Irene nur retten kann, wenn er sich alle Beteiligten vornimmt – und die sind auch bei der Mafia. Eine lebensgefährliche Jagd beginnt und der Mann, der kein Gewissen zu haben schien, wird zum Retter einer Frau und ihres kleinen Jungen.

VERBLENDUNG – Die junge Hackerin Lisbeth Salander hatte eine gewaltgeprägte Kindheit, einen misshandelnden Vater und hat nun – aufgrund eines psychiatrischen Gutachtens – einen Vormund, der sie sexuell missbraucht. Als der Enthüllungsjournalist Mikael Blomkvist auf sie zukommt, um mit ihrer Hilfe eine Reihe von Frauenmorden aufzuklären, kommen die beiden sich näher. Lisbeth hat ihre ganz eigene Art, mit Feinden umzugehen, und so überwältigt sie ihren Vormund und ist auch weiterer Gewalt nicht abgeneigt. Zusammen mit Blomkvist kann Lisbeth die Morde aufklären und den Täter ausfindig machen. Als dieser Mikael entführt, in seinem Keller foltert und töten will, kann Lisbeth ihn in letzter Minute retten. Die auf den ersten Blick abweisende Frau hat ihren Schutzwall abgelegt und sich dem Journalisten geöffnet. Eine gemeinsame Zukunft haben die beiden allerdings nicht.

DER GESCHMACK VON ROST UND KNOCHEN – Ali hat keinen richtigen Job, kein Geld und ist kein guter Vater. Zu seinem Sohn, den er kaum kennt, hat er ein sehr zurückhaltendes Verhältnis, und auch mit seiner Schwester, die ihn und seinen Sohn bei sich aufgenommen hat, läuft es nicht sehr gut. Als die junge Killerwaltrainerin Stéphanie sich nach einem schweren Unfall bei ihm meldet, verbringt er Zeit mit ihr und verhilft ihr – anscheinend ohne es absichtlich zu machen oder überhaupt zu merken – zu neuem Lebensmut. Der in sich gekehrte Mann, der viel Wut und Unmut in sich trägt, tritt Stéphanie zunächst emotionslos entgegen, bis auch er es schafft, sich ein Stück weit zu öffnen.

16. Januar 2013, von Markus 'Markus S.' Schaffarz