SPIEL 22: Wir füttern den Kraken

Anker lichten, Leinen los! Die „Instabil“ sticht in See - und mit ihr eine wild zusammengewürfelte Mannschaft von Fremden, die sich erstmals im Hafen über den Weg gelaufen sind. Die abenteuerlustigen Seeleute wurden nicht etwa in einer rauchigen Kaschemme angeheuert, sondern direkt am Stand von Funtails in den Essener Messehallen. Dort erhielten wir im Rahmen der SPIEL die Gelegenheit, das neue Social Deduction Schwergewicht Feed the Kraken mit anderen Messebesuchern probezuspielen. Schon nach wenigen Seemeilen war klar: Über der anfangs so stillen See breitet sich tiefes Misstrauen aus.


Nachdem wir das aufwendige Spielmaterial der Deluxe Version bestaunt haben, beginnt unsere Reise mit der verdeckten Rollenverteilung. Als waschechtem Seemann ist mir natürlich nichts wichtiger, als gemeinsam mit meiner Mannschaft den sicheren Hafen von Blue Water Bay zu erreichen - eine Motivation, die ich nicht mit allen Besatzungsmitgliedern teile. Denn schon zu Beginn steht fest, dass sich Piraten und sogar der Anführer eines dunklen Kultes unter die Crew gemischt haben. Für unsere geplante Fahrt nach Blue Water ist dies alles andere als förderlich. Die Piraten verfolgen nämlich das geheime Ziel, unser Schiff in die Seeräuber-Bucht Crimson Cove umzuleiten. Der Kultführer versucht derweil weitere Anhänger zu gewinnen - wobei es sein höchstes Ziel ist, dem Krankengott geopfert zu werden, der am anderen Ende der Seekarte lauert. Dies würde für alle den Untergang bedeuten.

Mit diesem - nicht gerade Vertrauen erweckenden - Vorwissen muss die Mannschaft, bestehend aus zwei Gamesunit-Vertretern und fünf unbekannten Mitfahrern, nun einen Kapitän wählen. Dieser bestimmt anschließend einen Lieutenant und einen Navigator. Das Führungs-Trio ist entscheidend für den Verlauf unserer Reise. Mit Hilfe von Navigationskarten beeinflussen Kapitän, Lieutenant und Navigator nacheinander unsere Route. Wie genau jeder einzelne das Ergebnis manipuliert, lässt sich dabei nicht eindeutig nachvollziehen.

Trotz düsterer Aussichten verläuft die erste Spielrunde noch ganz im Sinne der tüchtigen Seeleute - immerhin werde ich von unserer frisch gekürten Kapitänin zum Lieutenant ernannt. Von den zwei Karten, die ich mir anschauen darf, wähle ich natürlich diejenige die uns näher in Richtung Blue Water Bay bringt. Auch der Navigator, der die letzte Entscheidung hat, macht uns keinen Strich durch die Rechnung, so dass die Fahrt tatsächlich in der gewünschten Richtung verläuft. Der Frieden auf der „Instabil“ währt jedoch nicht lange.
Die ausgewählte Navigationskarte hat als Nebeneffekt einen Kultaufstand ausgelöst, was bedeutet, dass nun alle Spieler ihre Augen schließen müsen, während der Kultführer eine Person an der Hand berührt und sie damit zum Kultisten bekehrt. Der letzte Funke Vertrauen, der durch unseren gelungenen Start am Leben erhalten wurde, scheint durch diese Aktion erloschen zu sein. Spekulationen und Misstrauen werden nun offen geäußert. Ein Mitspieler zu meiner Linken beharrt darauf, dass der Oberkultist mit Sicherheit unsere Kapitänin auf seine Seite gezogen hat und wir ihr deshalb ab sofort nicht mehr trauen dürfen. Einige am Tisch sind allerdings der Meinung, dass der Kritiker gezielt Zwietracht säht, um ganz eigene Ziele zu erreichen. Die Mannschaft ist gespalten.
Schon bald kommt es zur ersten Meuterei. Die Spieler können nämlich vor jeder Navigationsphase mit ihren Pistolen über den derzeitigen Kapitän und sein Team abstimmen. Zückt die Mehrheit ihre Waffen, werden die Anführer abgesetzt.

Unser Schiff pendelt hin und her, droht vom Kurs Richtung Blue Water Bay abzukommen und steuert irgendwann auf die riesige Krake zu. Noch haben wir etwas Abstand zu dem hungrigen Monstrum, doch wir kreuzen bereits den Weg seiner Tentakel. Die einzige Option, uns zu befreien, besteht darin, ein Crewmitglied über Bord zu werfen. Die Mannschaft muss abstimmen. Unsere Entscheidung fällt auf den Kritiker unserer ehemalige Kapitänin, der nun für sein Zwietracht sähendes Verhalten bezahlt, indem er zu Krakenfutter verarbeitet wird. Den restlichen Spielverlauf darf er als Zuschauer erleben.
Die Lage an Deck bleibt dennoch angespannt, und es ist nur der selbstlosen Aufopferung eines Seemanns zu verdanken, dass wir Blue Water Bay schließlich doch noch erreichen. Als Navigator nutzt der Mitspieler die Möglichkeit, Befehle seiner Vorgesetzten zu verweigern, eine Notfallnavigation auszuführen und über Bord zu springen.
Kurz vor dem drohenden Krakenmaul dreht die „Instabil“ ab und läuft in den rettenden Hafen von Blue Water Bay ein. Jezt können auch die Masken endgültig fallen. Wie sich nach unserer freudigen Ankunft heraustellt, war der lautstarke Kritiker, den wir der Krake überließen, tatsächlich ein einfacher Seemann. Tja, Pech gehabt. Und unsere viel kritisierte Kapitänin? Die wurde zwar nicht von Kultisten auf deren Seite gezogen, war jedoch von Spielbeginn an eine hinterhältige Piratin. Als Kultführer zog übrigens Gamesunit-Kollege Markus die Fäden im Hintergrund. Misstrauen war also durchaus gerechtfertigt - bloß nicht immer an der Stelle, wo wir den Verrat vermuteten.


Feed the Kraken ist ein Spiel von Maikel Cheney, Tobias Immich und Dr. Hans Höh, bei dem 5 bis 11 Matrosen gemeinsam in See stechen können.

22. Januar 2023, von Sascha 'Gamethulhu' Kröner