SONS OF NORWAY Themenspecial: Punk ist überall
heute in einer Woche startet die norwegische Komödie SONS OF NORWAY in den deutschen Kinos – eine skurrile Vater-Sohn-Geschichte vor dem Hintergrund der Punk-Rebellion Ende der 70er-Jahre in einem Vorort von Oslo.
Die subkulturelle Strömung der Punkrock-Kultur bahnte sich damals von England aus ihren Weg auf das europäische Festland und weiter in die ganze Welt. Wir haben recherchiert, wie es mit dieser Bewegung rund um den Globus aussieht, u.a. in Asien, im nahen Osten und Afrika.
Punk ist überall
In „SONS OF NORWAY“ (Kinostart 05. Juli 2012) bricht die Punk-Kultur der späten 1970er mit voller Wucht über einen kleinen verschlafenen Vorort von Oslo herein und gibt dem Leben des jungen Norwegers Nikolaj einen neuen Sinn. Die Rebellion gegen das Establishment zu den Klängen der Sex Pistols hilft ihm, den Tod seiner Mutter zu verarbeiten und eröffnet ihm einen neuen Blick auf die Gesellschaft, in der er lebt.
Die subkulturelle Strömung des Punk bahnte sich damals von England aus ihren Weg auf das europäische Festland und erreichte dabei neben Ländern wie Norwegen, in denen Rebellion nicht unbedingt den Grundrhythmus der Gesellschaft bildete, auch die politischen Systeme, die traditionell empfindlich auf unkontrollierbare Impulse aus der Jugendkultur reagierten. In der DDR traf der Sozialismus unter Erich Honecker mit der strengen Überwachung seiner Bürger auf das chaotische Do-it-yourself-Postulat der 3-Akkorde-Revolution.
Die Dokumentation „ostPUNK! / too much future“ aus dem Jahr 2007 erzählt anhand der Lebensgeschichten von vier Akteuren der damaligen Bewegung die authentische Geschichte des Punkrocks in der DDR. Michael Boehlke, einer der Initiatoren des Projekts, im Punkrock-Fanzine OX über die Punkbewegung in Ostdeutschland zu Zeiten der Mauer: „Punk im Osten war (…) Ausdruck jugendlichen Leicht- und Frohsinns, unterstützt durch den Mut zum Dilettantismus. Es existierte kein kultureller Gegenentwurf, sondern ein lustvolles Dagegen-Sein. Aber der sozialistische Staat kannte keinen Spaß und drangsalierte und verfolgte die Punks, sperrte sie erst aus und dann nicht selten ein.“ Der Trailer zum Film:
Die DDR hat inzwischen bekanntermaßen das Zeitliche gesegnet, Punk ist aber selbstverständlich nicht totzukriegen und dringt weiterhin bis in die entlegensten Ecken der Welt vor, in denen die gesellschaftlichen Verhältnisse den Nährboden für Protest bieten. Eine große Angriffsfläche bietet dabei naturgemäß das kommunistische China, dessen Führung es mit Menschenrechten und Meinungsfreiheit bekanntlich immer noch nicht so genau nimmt.
Einen Ausflug in die entstehende Punkrock-Szene des Riesenreichs unternahm der australische Filmemacher Shaun Jefford für seinen Film „Beijing Punk“. Der Film stellt die Frage: „Was passiert, wenn 1,3 Milliarden Chinesen den Punkrock entdecken?“ und begleitet die mit den klassischen Punk-Accessoires wie buntgefärbtem Irokesenschnitt, Lederjacken und Stiefeln ausgestatteten Protagonisten der Untergrundbewegung durch ihren Alltag als spaßorientierte Rebellen in einem autoritären Staat. Die Dokumentation wurde in China direkt verboten und hat das Zeug zum Kultfilm. Hier ist der Trailer für Euch:
Aus dem Widerstand gegen das Unrechtsregime des Apartheid-Staates Südafrika bildete sich auch bereits Anfang der 1970er eine Punk-Kultur auf dem schwarzen Kontinent aus, die bis heute lebendig ist. Diesem Phänomen widmet sich der Dokumentarfilm „Punk in Africa“, der unter dem Untertitel „Three Chords, Three Countries, One Revolution“ auch die Auswirkungen der südafrikanischen Bewegung auf Mosambik und Simbabwe beleuchtet. Dabei spannt er einen Bogen von den Anfängen der südafrikanischen Rockmusik im Untergrund von Johannesburg über erste Multi-Kulti-Punkbands, die sich nach den Aufständen von Soweto bildeten, bis hin zu Hardcore- und Ska-Bands der demokratischen Gegenwart in Südafrika. Hier könnt Ihr Euch den Trailer zu dieser spannenden Dokumentation anschauen:
player.vimeo.com/video/30702477
In Israel entzündet sich der Protest der Punk-Bewegung vor allem an der militaristischen Ausrichtung des Staates. Die Macher des Dokumentarfilms „Jericho’s Echo: Punk Rock in the Holy Land“ bringen einen der Hauptgründe für die Entscheidung, sich der Punkbewegung in Israel anzuschließen auf den Punkt: „[Die Mitglieder der Bands] haben nur die eine Wahl: Eine Gitarre oder ein Gewehr in die Hand zu nehmen.“ Nur eine psychotische Störung, die vom Militärarzt attestiert wird, schützt junge Israelis vor dem obligatorischen Militärdienst, viele junge Männer aus der Punkrock-Szene entscheiden sich bewusst für diesen Ausweg. Neben einem farbenfrohen Einblick in das Lebensgefühl der israelischen Punks mit vielen Ausschnitten aus Live-Auftritten widmet sich ein wichtiger Teil der Dokumentation diesem Aspekt der bewussten Verweigerung des Dienstes an der Waffe. Hier der Trailer:
Das Schicksal von 65 indonesischen Punks schaffte es 2011 als Newsmeldung bis in den Mainstream der westlichen Medienlandschaft: Wegen möglicher Verstöße gegen die Scharia wurden sie während eines Benefizkonzertes von der Polizei verhaftet und anschließend Umerziehungsmaßnahmen unterworfen. Den Jugendlichen wurden nicht nur die Haare abrasiert, Piercings entfernt und ihre Kleidung abgenommen, sie mussten auch mindestens zehn Tage lang einen strengen Unterricht in Disziplin und Religion über sich ergehen lassen. Bereits 2005 hatte sich die schwäbische Punkrock-Band „Cluster Bomb Unit“ auf das Abenteuer einer Tour durch das islamische Land eingelassen und dabei den äußerst unterhaltsamen Dokumentarfilm „Punk im Dschungel“ gedreht. Konzertunterbrechungen für das abendliche Gebet gen Mekka inklusive:
Wer also nach einem Kinobesuch von „SONS OF NORWAY“ (Kinostart 05.07.2012) Lust bekommt, sich über die unterschiedlichsten Punkszenen dieser Welt auf unterhaltsame Art und Weise informieren zu lassen, kann sich eine der oben genannten Dokumentationen zu Gemüte führen. Und wenn Euch danach Johnny Rotten im Traum erscheint, ist der weitere Lebensweg wohl vorgezeichnet.