Review (Xbox 360): Forza Horizon
Heiße Boliden, Babes und Beats. Diese Sachen machen das (fiktive) Horizon-Festival in Colorado aus, welches Forza Horizon nicht nur seinen Namen gibt, sondern auch bestimmt. Inwiefern diese neue Richtung zu der sonst so realitätsnahen Forza-Reihe passt, schauen wir uns etwas genauer an.
Story
Als blutiger und namenloser Anfänger kommt der Spieler nach Colorado, um an den Rennen des Horizon-Festivals teilzunehmen. Nachdem man sich gleich zu Beginn ein kleines spontanes Rennen mit dem dreifachen Champion Darius Flynt liefert, fährt man danach gegen zehn andere Fahrer um einen Platz im Festival. Wenn auch das geschafft wurde, heißt es nun: Schnapp sie dir alle! Und damit sind keine Pokémon gemeint, sondern die Armbänder des Horizon-Festivals. Denn nur wer sie alle besitzt, darf den Champion herausfordern.
Racing-Spiele brauchen keine ausgeklügelten Geschichten, weswegen der typische Aufstieg des Neuankömmlings perfekt passt und ausreichend Motivation liefert.
Grafik
Forza Horizon ist ein wahrer Hingucker. Selten habe ich solch ein schönes "Open World Game" gesehen, was dazu noch flüssig läuft. Die Boliden selbst sind wunderschön modelliert und strotzen nur so vor Details. Durch Crashs nehmen sie (nur optischen) Schaden und bei Fahrten durch Offroad-Strecken werden sie langsam aber sicher immer dreckiger. All dies sieht sehr schön und realistisch aus. Dazu gesellen sich hervorragende Licht- und Schatteneffekte (die Sonne blendet einen regelrecht, wenn man ihr entgegen fährt), ein dynamischer Tag-Nacht-Wechsel und äußerst detaillierte und schön anzusehende Hintergrundgrafiken. Manche Texturen und Objekte, wie z. B. die Gebüsche und Bäume am Straßenrand, wirken bei genauerer Beobachtung jedoch etwas grobkörnig. Im Normalfall fällt das aber nicht auf, da man meistens mit einem Höllentempo an ihnen vorbeiprescht. Hier und da kommt es zu Pop-Ups, was jedoch nicht oft der Fall ist und auch kaum auffällt. Äußerst beeindruckend ist zudem, wie flüssig das Spiel trotz der Grafikpracht läuft. Frame-Rate-Einbrüche kamen während meines gesamten Tests nicht zum Vorschein. Was Playground Games zusammen mit Turn 10 hier abgeliefert haben, ist erste Sahne.
Sound
Auch hier wurde großartige Arbeit geleistet. Das fängt bei den drei Radiostationen des Festivals an: Einer für Dubstep und Drum & Bass, einer für die etwas chilligere Indie-Liebhaber, und einen für Rockfans. Alle drei Sender tauchen jedoch nicht in die tiefsten Tiefen ihrer jeweiligen Genres ab, sondern spielen eher Lieder, mit denen sich fast jeder anfreunden kann. Selbst ich als ausgesprochener Metalhead habe mich des öfteren dabei erwischt, wie ich während den Rennen den Dubstep-Sender aufgedreht habe. Es ist also für jedermann etwas dabei. Die Moderatoren machen auch einen akzeptablen bis guten Job. Dies gilt allgemein für die deutsche Synchronisation von Forza Horizon. Wie schon die Story ist auch die Synchronisation von Rennspielen meist zweitrangig, weswegen es umso schöner ist, dass hier auf eine gewisse Qualität geachtet wurde. Natürlich sind die Sprüche der anderen Racer sehr kitschig, aber das gehört einfach dazu. Und auch während den Rennen gibt es keinen Grund sich zu beschweren. Die Motoren röhren, bei Crashs kracht es gewaltig und die Fans feuern die Fahrer an, während im Hintergrund die Pyrotechnik zu sehen und zu hören ist. Klasse.
Gameplay
Technisch ist Forza Horizon also über jeden Zweifel erhaben. Aber all das nutzt nicht viel, wenn das Gameplay nicht stimmt. Selbst hier gibt sich das Spiel aber keine Blöße. Die Wagen fahren sich alle etwas arcade-mäßiger als in den anderen Forza-Ablegern, findet jedoch eine beinahe perfekte Balance zwischen Realismus und Arcade, sodass alle Reaktionen der Autos auf Lenk- oder Bremsaktionen nachvollziehbar sind. Man kann wunderbar um Kurven driften, muss jedoch sehr darauf aufpassen, dass man es nicht übertreibt, da sonst das Auto nicht mehr zu kontrollieren ist. Alles in allem macht es einfach Spaß, die riesige Welt von Forza Horizon zu erkunden und Rennen in ihr zu bestreiten. Ein Wiedersehen gibt es auch mit der (abschaltbaren) Funktion, in den Rennen die Zeit etwas zurückzudrehen, wenn man einen Fahrfehler begangen hat. Sehr toll, wenn man sich in der letzten Kurve eines Rennens sich verbremst hat, und nicht mehr gewinnen kann. Dann wird einfach die Zeit ein wenig zurückgedreht, und die Stelle wird noch einmal gefahren. Dadurch wird dem Spieler viel Frust erspart.
Renn-Events gibt es jede Menge. Diese unterscheiden sich zwar eigentlich nur darin, ob man ein Rennen von A nach B oder auf einer Rundstrecke fährt, jedoch sind für jedes Rennen nur Autos einer gewissen Klasse oder mit gewissen Eigenschaften zugelassen. Das hat zwei entscheidende Vorteile. Zum einen werden die Rennen nicht langweilig, auch wenn man auf Strecken fährt, die man durch andere Rennen bereits kennt, da man sich auf das jeweilige Auto einstellen muss. Zudem wird der große Fuhrpark dadurch gut ausgenutzt. Man wird bei Weitem nicht jedes Fahrzeug, das im Spiel enthalten ist, benutzen, aber so ist man dazu gezwungen, mehrere Wagen zumindest einmal zu fahren. Hin und wieder schaltet man auch Schaurennen frei, bei welchen man z. B. gegen ein Flugzeug oder einen Helikopter antritt. Wenn man dieses Rennen gewinnt, darf man das Auto, in welchem man das Rennen bestritt, behalten. Darüber hinaus gibt es noch dutzende PR-Stunts, Blitzer- und Tempobereiche, welche man mit möglichst hohen Geschwindigkeiten auslösen bzw. durchfahren sollte, da diese mit allen anderen Besitzern von Forza Horizon online verglichen werden.
In Colorado gibt es also eine Menge zu tun. Bis das Spiel langweilig wird, braucht es jedoch sehr viele ausgiebige Sessions, denn neben den vielen Events gibt es noch die Beliebtheitsrangliste des Horizon-Festivals, in welcher man durch riskante Fahrmanöver während den Rennen und im Free-Drive Modus aufsteigen kann. Und bis man da den ersten Platz erreicht hat, werden zahllose Stunden ins Land ziehen, bei denen die Motivation, der Beste zu werden, jedoch nie sinkt, da man immer wieder ein neues Level einer bestimmten Herausforderung freischaltet. Hin und wieder bekommt man auch Wind von Scheunenfunden, alten Wagen, die in heruntergekommenen Scheunen verrosten. Wenn man diese findet, werde sie von Dak, dem Mechaniker, restauriert und stehen einem nach kurzer Zeit zur Verfügung. Leider sind von denen nur wenige wirklich zu gebrauchen. Aber immerhin erfährt man in kurzen Sequenzen etwas mehr zur Geschichte von diesen Prachtstücken.
Als ob mit den Rennen nicht schon genug Content in dem Spiel wäre, gibt es noch schier unendlich viele Möglichkeiten, seine Autos zu individualisieren. Alle Autos lassen sich nach Lust und Laune tunen, wobei diese Mechanik nicht bis in das letzte Detail geht, was Techniknarren ärgern, Autolaien aber erfreuen wird. Man sieht sofort, wie sich welches Upgrade auf den Wagen auswirkt, und kann so entscheiden, ob man sich eher auf die Beschleunigung oder auf die Höchstgeschwindigkeit konzentrieren will. Optisch lässt sich das Auto allerdings wirklich bis ins kleinste Detail personalisieren. Aufkleber lassen sich selbst stylen und auf dem Boliden platzieren. Man kann zudem Designs aus Forza 4 importieren, oder auch Designs von anderen Spielern herunterladen oder kaufen. Anfangs ist man wahrscheinlich etwas erschlagen von den ganzen Möglichkeiten, aber nach einer kurzen Eingewöhnungsphase geht das Handling der Menus locker von der Hand.
Kein Spiel kann perfekt sein, und so gibt es auch bei Forza Horizon einige Sachen, die eher suboptimal sind. Die Rennen sind insgesamt etwas zu kurz geraten. Meistens lassen sie sich in zwei bis fünf Minuten absolvieren, was schade ist. Erst gegen Ende gibt es längere Rennen, die einen quer über die ganze Karte schicken. Davon hätte es aber ruhig mehr geben dürfen. Ein Gummiband-Effekt ist spürbar, auch wenn er sich in Grenzen hält. In den Schaurennen fällt er aber definitiv auf. In diesen hat man sogar oftmals das Gefühl, als wären sie von vorne bis hinten gescriptet. Liegt man anfangs noch mit etwas über einer Sekunde zurück, gewinnt man am Ende das Rennen mit einem sehr knappen Vorsprung. In den normalen Rennen kann man dem Feld etwas enteilen, doch vor allem in den Rennen gegen die Rivalen kommt man einfach nicht von ihnen weg. Immer mal wieder passiert es auch, dass man an Gebüschen, durch die man vor einer Minute noch durchgefahren ist, hängen bleibt, als würde man gegen eine Wand fahren. Durch die Rückspulfunktion kann man das zwar revidieren, merkwürdig ist es trotzdem. Selbst Passanten scheinen die Eigenschaften von Wänden zu besitzen, denn an ihnen bleibt man genauso hängen.
Mein größter Kritikpunkt: Forza Horizon hat keinen lokalen Multiplayer. Online-Gaming ist schön und gut, aber manche von uns wollen mit einem Freund vorm Fernseher sitzen, ein paar Getränke schlürfen, und sich einfach in Grund und Boden fahren und reden. Und diese Möglichkeit fehlt einfach vollends, was ich nicht nachvollziehen kann. Gerade Rennspiele bieten großes Potenzial für Splitscreen-Rennen. Man muss sich doch nur mal Mario Kart oder Blur ansehen. Unverständlich, wie ich finde, dass man den lokalen Multiplayer einfach weglässt.
Fazit
Wie jedes Spiel hat auch Forza Horizon seine Mängel, allen voran den nicht vorhandenen lokalen Multiplayer. Das soll jedoch nicht davon ablenken, dass es sich hier um eines der besten Rennspiele, wenn nicht sogar das beste Rennspiel des letzten Jahres handelt. Technisch nah an der Perfektion, spielerisch erstklassig, haben wir hier ein Must-Have für jeden Rennspielfan. Und auch Gamer, die eher anderen Genres den Vorzug geben, sollten sich Forza Horizon definitv mal ansehen.