Review (PC): Sniper - Ghost Warrior

"Achtung, Achtung! Dies ist eine Meldung aus dem Spieletesterbunker. Es ist Krieg. Ja, Krieg. Und ich bin der einzige, der was dagegen tun kann, denn mit diesem 2010er Big-Budget-Versuch einer bis dato Low-Budget-Spieleschmiede (City Interactive), werde ich zum Sniper – Ghost Warrior!

und nicht einfach nur „ein""Sniper, nein, DER Sniper schlechthin. Ich bin so gut, dass ich bei jedem (wenn das Spiel es denn will) gelungenen Kopfschuss eine Bullet-Time-Sequenz zu sehen bekomme. Und das ist hier wörtlich gemeint. Die Kamera folgt der Kugel aus „spektakulären" Blickwinkeln bis zum Brägen des Opfers, das es dann „realistisch"aus den Socken (und meistens auch aus der Mütze) haut.

Trotz meiner „Superior Skillz" wird mir zu Beginn ein Training spendiert, das den Umgang mit Waffen lehrt (während zum Beispiel die Nutzung des Kletterhakens während der laufenden Story erklärt wird) und uns zeigt, wie man sich vor Feinden versteckt.

Und hier schnitzt es schon bergeweise Späne. Während das Geschieße und Handgranatengewerfe die üblichen Prozeduren, wie in jedem „Killerspiel"" seit Anno Dunnemals sind, brachte mich die Schleichaktion doch ziemlich zum Lachen (vorerst). Der Ausbilder sagt mir also, dass ich mich mit meinem Supi-Tarnanzug (Ja, ja, verdammte Realität, da ist es mit der gewünschten Coolness echt nicht weit her) in der Dschungelpampa regelrecht unsichtbar machen könnte und das doch gleich mal ausprobieren solle. Gesagt, tun getan (Anm. des Lektors: Gutes Deutsches).

Ich hechte los, habe zwanzig Sekunden, mich zu verstecken und finde kein Gebüsch. Also hopp, mitten im freien Feld in die Hocke und dann flach auf den Bauch. Um mich herum ca. wadenhohes Gras. Selbst Solid Snake wäre hier gefunden worden. Aber die Zeit ist um. Ich liege reglos da und warte. Meine Häscher suchen nach mir, laufen durch die Gegend, gucken in die Luft und brüllen sich mit irgendwas an. Ich liege genau zwischen ihnen und blinzele nicht einmal. Fünf Sekunden bevor die Übung beendet ist, traue ich mich, den Blick etwas zur Seite zu neigen, und was muss ich da sehen? Ein Paar schwerer Stiefel stapft auf mich zu. Scheiße, verloren!

Oder auch nicht. Der Typ latscht einfach über mich drüber. Ich bin ein Tarngott!

Oder aber, "Sniper - Ghost Warrior" hat die schlimmste Künstliche Intelligenz, die mir seit langem untergekommen ist.

Ratet mal.

Starte ich also, noch in dem Glauben, in dem Game alles reißen zu können, den Singleplayer-Story-Mode, in dem wir irgendwen in Südamerika wegen irgendwas umbringen sollen. Na gut. Auf zum fröhlichen Auftragskill im Namen Gottes, George Washingtons und unseres geliebten Vaterlands.

Die ersten Abschnitte des ersten Levels sind eigentlich nur ein weiteres Mal Tutorial (übrigens viel besser implementiert, als diese doch recht luschige Trainingslevelblase) und hier kommt auch das erste Mal unser Kletterhaken *nurnutzbaranvorgegebenenStellen* zum Einsatz. So wie dieser Haken ist übrigens das gesamte Spiel zu verstehen. Es gibt immer genaue Vorgaben, was zu tun ist. Weicht man davon ab (versucht z.B. alle Gegner auszuschalten anstatt sich, wie vorgeschlagen zu verstecken), darf man sich zu 99% darauf einstellen, den Abschnitt gleich noch einmal neu laden und ein zweites Mal in Angriff nehmen zu dürfen.

Schlussendlich ist mir die Story von Sniper - Ghost Warrior auch noch komplett entfallen, weil sie so platt, uninteressant und austauschbar ist. Die Aufträge selbst, variieren von „Gehe von A nach B"" (Anm. des Lektors: Wie bei ""Herr der Ringe""...) über „Verstecke dich bis bis zu „Eliminiere X". Also übliches Futter, das nun keinen aus Vorfreude aus der Camouflageunterbuchse hüpfen lässt, doch auch nun mal genau das, was man in einem Action-Titel halt so macht. Also hopp ins Unterholz.

Ah, da auf dem Weg steht eine Wache, die mir den Rücken zudreht, während ich hier im Busch hocke. Lege ich doch mal an und sniperiere dem ein neues Luftloch in den Schädel. Anlegen. Zielen. Hä? Grünzeug?

Ja, Grünzeug, sollte in der normalen Sicht auch nur ein Blättchen oder Grashalm deine Sicht zum auserwählten Kugelschlucker kreuzen, sei dir gewiss, der Blick durchs Fernrohr ist für die Katz. Man muss sich schon trauen, zumindest mit dem Gesicht aus dem Grünzeug zu lugen um sicherzugehen, freies Schussfeld zu haben. Doch dann. BAM. ZEITLUPE. BLUTIGER SCHMODDER und der Typ, der da neben unserem Opfer stand und sich gerade noch mit ihm unterhalten hat, labert einfach weiter, und scheint gar nicht zu merken, dass er ohne die berühmten zwei Pennies ein paar Spritzer der Gedanken seines entleibten Kollegen auf der Jacke hat. Ja, ja, dieses hartgesottene Söldnerpack.

Nachdem wir den also zum Weiterdiskutieren neigenden Söldner auch auf die nächste Bewusstseinsebene gehievt haben, schleichen wir mutig voran. Unser hilfreicher Radar, der uns mal alle Gegner in einem Umkreis von 5 km anzeigt, mal nur sporadisch den ein oder anderen aufblinken lässt und häufig genug nur Leute die 'nen Meter fuffzich vor uns stehen nicht einmal andeutet, hat ganz vergessen, dass drei Meter neben uns (immer noch auf dem gut einsehbaren Weg) eine Patroullie vorbeistiefelt.

Die kriegen wir doch klein. Denke ich. Denke ich falsch! Ich schiebe mich durch die Wegesrandbebuschung und Peng trifft mich eine Kugel. Die sind doch noch mindestens hundert Meter weit weg. Ãndert nichts daran, dass sie mich entdeckt haben. Also hopp, wieder rein in die Büsche und die Verfolger loswerden. Ich renne, ich verliere Energie, ich schlage Haken, verliere Energie vor mir nur Busch, ich drehe mich verwirrt um, hinter mir nur Busch. Ich werde weiter von Kugeln durchsiebt. Ich hebe vorsichtig und doch todesmutig den Kopf aus dem Unkraut. Die Typen stehen immer noch am selben Punkt auf der Straße und halten einfach weiter drauf.

Moment mal. Die haben doch gar keine Scharfschützengewehre Sie treffen trotzdem, als hätten sie die Augen vom Adler und die ruhige Hand vom Faultier. Ich ballere blind zurück, weil die viel zu weit weg sind, um ohne Fernrohr ordentlich Headshots zu verteilen. Und dieses Phänomen begleitet uns jetzt die nächsten 3-4 Stunden. Ich krieche durchs Unterholz, mal werde ich gesehen, mal nicht. Ist Ersteres der Fall, könnte ich die Scharfschützenflinte eigentlich gleich ins Korn werfen. Denn, ich habe zwar standardmäßig bei jedem Spawn erst mal fünf Aufpäppelspritzen dabei, doch um diese einzusetzen ist es arg unvorteilhaft, wenn man gerade mitten im Sperrfeuer steht.

Als ich dann für einen Auftrag, der „Verteidige dich!" lautet und mir zwei Minuten vorgibt, in denen ich heranstürmende Gegner überleben muss, um dann, am besten ohne zu sterben, an einem rettenden Hubschrauber anzulangen, ist mein Geduldsfaden nicht nur gerissen. Nein, er wurde angezündet, aufgeschlitzt, erdrosselt und ertränkt. Zwei Stunden für einen zwei-Minuten-Abschnitt lassen mich erstmal als ziemlichen Noob dastehen. Nachdem sich ein Freund (den ich heimlich in den Testbunker geschleust habe) auch noch mal eine gute halbe Stunde lang die Fingerkuppen daran abgerubbelt hat, behaupte ich (wie ja schon zuvor festgestellt):

Diese KI hat nur eine einzige Vorgabe. Willkür. Mal haue ich ein ganzes Lager mit ruhiger Hand nach und nach aus den Socken, ohne dass meine Sicht durchs Zielfernrohr auch nur schwankt. Dann wiederum gibt es die Momente, in denen es scheinbar reicht, dass ein Duftmolekül meines verschwitzten Kriegers durch die Luft flirrt und unter jedem Blatt des doch mit Grünzeug gut gefüllten Dschungels hüpft ein unsterblicher Killer hervor mit einer Trefferquote von 199% (Anm. des Lektors: Ein gutes Deo hat halt auch für 'nen Sniper Vorteile!).

Das überfordert mich und Überforderung macht mich wütend *grrr*

Also schlüpfen wir kurz in den Multiplayer, um uns abzureagieren. Rein ins Deathmatch, Zufallskarte und schwupp, bin ich alleine in einem Dschungeldorf…na ja, ist man wenigsten gleich Erster.

Na gut, zurück in die Lobby, händisch einen Server ausgesucht, neue Karte und schwupp, bin ich in einem Dschungeldorf. Ãh... gut, es gibt auch noch Dschungel und Tempelruinen im Dschungel. Abwechslung rult.

Übrigens auch bei der Waffenauswahl. Scharfschützengewehr, Pistole mit Schalldämpfer und ein paar Granaten. *schnarch*

Ansonsten gilt bei Sniper - Ghost Warrior: Keine Experimente. Ganze drei Spielmodi („VIP"", „Schießerei"" alias Deathmatch und „Bande"" alias Team-Deathmatch) *im Schlaf schmatz*

Was bleibt also? Richtig, alles wie immer. Fazitieren wir mal:

Die ersten paar Minuten (trotz hilariösem Trainings) lassen bei Sniper - Ghost Warrior Gutes hoffen. „Gute" Optik, übliches Handling. Alles nicht weiter schlimm. Doch umso weiter man in den Dschungel aus Linearität, Langeweile, Grünzeug und Hass heraufbeschwörendem Gegnerverhalten eindringt, umso klarer wird, da wurde viel gewollt, aber leider nur mittelmäßig gekonnt. Hinzu kommt der wohl am witzigsten aussehende (ich bin kein Freund realistischer Militärausstattung) Protagonist in einem Ego-Shooter, Schludrigkeit in der Ausführung (keine Gesichtsanimation im Spiel oder in den, in Spielegrafik gehaltenen Zwischensequenzen, 2-D-Blätterdschungel, der sich einfach nur hin- und herbewegt etc.) und eine so Sauerstoffmangel erzeugende (*gähn*) Story, dass jede Seifenoper dagegen Oscars verdient hätte.

Pluspunkte gibt es für den versuchten Realismus, der es natürlich nur bis zu einem gewissen Grad wirklich ins Spiel geschafft hat. Auch die deutsche Synchronisation braucht sich zumindest für die Riege der mittelmäßigen Games nicht zu verstecken, Schade, dass die Story einen schnell dazu bringt, das Gesabbel zu überspringen.

Sniper - Ghost Warrior - Alles in allem ein zweischneidiges Schwert."

2. Februar 2011, von Mirco P. 'Mirco P.'

Sniper: Ghost Warrior

GenreAction
PublisherAction
Release15.05.2012
DistributorUbisoft
EAN4012160250962