Review (HSP): Gruselkabinett Folge 36 & 37: Oscar Wilde – Das Bildnis des Dorian Gray

London, Ende des 19. Jahrhunderts: Der begabte Künstler Basil Hallward verliebt sich in den jungen und sehr gutaussehenden Dorian Gray. Er will all seine Schönheit und Jugendlichkeit in einem von ihm selbstgemalten Porträt des Dorian verewigen. Das fertige Bild wird prompt zum Meisterwerk. Dorian selbst ist von seinem Anblick auf dem Bild begeistert. Er wünscht sich unter Preisgabe...

... seiner Seele, dass das Bild an seiner Stelle altern möge und ihm für immer seine Aura erhalten bleibe.

Bald darauf macht Dorian über Basil Hallward die Bekanntschaft mit Lord Henry Wotton, der einen recht zweifelhaften Ruf besitzt - kein Wunder, versteht er das Leben doch mit all seinen Lastern zu genießen. Zuerst nur von dieser Lebensweise und dem damit verbundenen äußerst liberalen moralischen Auffassung fasziniert, übertrifft Dorian den Lord in seinen Ausschweifungen schon bald um ein Vielfaches. Doch trotz fortschreitender Zeit und zunehmenden Drogen- und Sex-Exzessen machen sich keinerlei Änderungen seines jugendlichen Aussehens bemerkbar...

Das Stück selber ist fesselnd und gilt nicht umsonst als literarischer Klassiker.
Die Hörspielvariante von Das Bildnis des Dorian Gray leidet jedoch unter einem echten Problem: Es will einfach nicht so richtig in die Gruselkabinett-Serie hineinpassen. Der Roman von Oscar Wilde geht eindeutig in Richtung Moralkritik und Drama, die Gruselelemente sind in der Geschichte verdammt gering. Erst recht, da die Geschichte quasi uncut erzählt wird und sich auf zwei CDs ausdehnt. Ergo werden allenfalls deutsche Möchtegern-Gangsta-Rapper und sonstige Homophobe beim Anhören des Hörspiels einen Horrortrip erleben, den die zahlreichen homoerotischen Anspielungen sind mannigfaltig - "Gray" ist ja schon verbal nicht weit von "Gay" entfernt.

Technisch gibt es wieder wie bei allen bisher vorliegenden Stücken von Titania Medien wahrlich nichts zu kritisieren. Die Sprecherinnen und Sprecher sind spitzenklasse und das hohe technische Niveau aller vorherigen Folgen wird gehalten. Die Cover der Gruselkabinett-Serie sind ja immer ein wenig Geschmackssache, passen diesmal aber ganz gut zu einem Hörspiel, welches im victorianischen Zeitalter in England spielt.

Insgesamt bietet die Hörspielvariante des Oscar-Wilde-Werks Das Bildnis des Dorian Gray Unterhaltung der besten Sorte, man sollte bloß kein typisches Stück aus der Gruselkabinett-Reihe erwarten."

27. Februar 2010, von Reinhard 'Reinifilm' Rieß