Review (DVD): Shameless - die komplette erste Staffel

Warnung: Der Konsum dieser Serie kann den Hang zur Gelassenheit verstärken!

Der Gelassenste von allen und das Oberhaupt der Familie Gallagher ist Vater Frank (William H. Macy). Der ist Alkoholiker, denkt grundsätzlich nicht über die Konsequenzen von irgendwas nach und quartiert sich lieber mal anderswo ein, als sich von seinen Kindern sagen zu lassen, dass sie die Miete für ihn bezahlen. Wobei: Eigentlich zahlt die Miete eine verloren gegangene Oma. Na egal, wenn das Sozialamt nachsehen kommt, klauen sich die Kids unter Führung von Fiona (Emmy Rossum) schnell mal eine Ersatzverwandte aus dem Altersheim. Die ist dann auch noch dement und glaubt einen Tag lang wirklich dazuzugehören.

Fiona ist die älteste Tochter. Sie hält die Familie zusammen, nachdem die Mutter irgendwann gegangen ist. Der älteste Sohn Philip (Jeremy Allen White) hat nichts dagegen, sich seine Physik-Nachhilfe mit sexuellen Gefälligkeiten belohnen zu lassen, wohingegen Sohn Ian (Cameron Monaghan) schwul ist und gern Spaß mit seinem verheirateten Chef hat, am liebsten gleich zwischen den Regalen des Drugstores, in dem er jobbt. Jüngste Tochter Debbie (Emmy Kennedy) sammelt Geld für UNICEF. Und behält es. Der zehn-jährige Carl (Ethan Cutkosky) ist, darauf deutet so einiges hin, ein angehender Soziopath und ein Brandstifter, und Kleinkind Liam (Brennan Kane Johnson) ist – na ja, er könnte tatsächlich schwarz sein, aber niemand hat eine Ahnung, wie und warum, deshalb denkt keiner drüber nach. Alle zusammen lassen nie einen Zweifel daran aufkommen, dass alle zusammengehören. Dass die Familie das einzig Verlässliche bleibt, ist immerhin eine essenzielle amerikanische Botschaft.

Dem Leben der Gallaghers sieht man zu und wartet auf etwas. Wenn man lange genug gewartet hat, findet man sich damit ab, dass nichts Außergewöhnliches passiert. Und dann, mit dieser neu gewonnenen, leicht gelangweilten, teils ergebenen, ungeheuer anziehenden Gelassenheit begreift man plötzlich, was in diesem Leben passiert, in dem nichts passiert, aber andauernd Dinge zu regeln, Gegenstände zu leihen oder zu klauen, Rechnungen zu bezahlen oder zu prellen, Schläge auszuhalten oder auszuteilen sind: Es geht ganz einfach ums Überleben. Ein großes Programm, in dem die Gallaghers immer wieder gemeinsam zu dem zurückkehren, was für sie Normalität darstellt. Ums Glück geht’s manchmal auch, aber nur, wenn es in robuster Verpackung vorbeischaut.
Die Serie gab’s schon einmal. Sie basiert auf dem britischen „Shameless“, das seit 2004 läuft. Die Übertragung auf amerikanische Verhältnisse wurde heiß diskutiert. Eigentlich sind die Briten die Meister, wenn es um die humorvolle Inszenierung würdevollen Elends geht, und sicher ist die neue Serie eine durch und durch amerikanische. Die Besetzung ist dabei durchaus gelungen, spielen hier William H. Macy und Joan Cusack als Oskar-Nominierte mit erfrischend dynamischen jungen Kollegen.

Produziert wird Shameless von John Wells, der schon einige Emmys errungen hat, nicht zuletzt mit „Emergency Room“. Der war ungleich seriöser, viel schneller – und sehr viel berechenbarer.
„Shameless“, verlangt nicht viel von Dir: Lass alles einfach geschehen.

24. Juni 2013, von Uwe 'UMK' Kawohl