Review (DVD) : Horch

Eine Gruppe von befreundeten Cineasten beschließt einen eigenen Film zu drehen, obwohl alle Förderanstalten eine Unterstützung ablehnen. Dieser Film soll nicht nur irgendein Streifen sein, sondern zeigen, dass ein gemeinsamer Freund zu Unrecht eines Mordes verdächtigt wird.

Doch wie soll man einen solchen Beweis drehen, wenn..."

"...man kein Geld und kein Equipment hat? Die Clique radikalisiert sich immer mehr und beschließt in die Babelsberger Filmstudios einzubrechen, um sich die notwendige Ausrüstung für eine Nacht zu leihen - eine Nacht, in der der gesamte Film heruntergekurbelt werden muss.

Doch nicht nur die Polizei ist ihnen schon bald auf den Fersen, auch das Boulevard-Fernsehen kommt den Cineasten auf die Spur und verfolgt sie mit ihren Kameras. Die Atmosphäre in der Gruppe wird immer explosiver, der Druck von außen immer stärker - dennoch will man den Unschuldsbeweis mit allen Mitteln drehen. Die Tragödie nimmt ihren Lauf... und am Ende der Nacht wird es einen Toten geben.

Von dem jungen Berliner Label Schiessdochkommt mit Horchein Film, der genau der Philosophie des Hauses entspricht: No-Budget, ganz und gar unkommerziell, experimentiell und schnell gedreht, dabei genau den Zeitgeist einfangend - kurz gesagt: ANDERS. Und dass hier gängige Sehweisen mit Schwung über Bord geworfen werden, beweist auch schon der ungewöhnliche, ebenfalls auf der DVD vorhandene Kurzfilm Staub über einen Künstler, der alles expressiv farbig gestaltet, bloß seine eigenen Leinwände nicht.

Seine Stärken hat "Horch vor allem im visuellen Bereich. Schon der in Negativ-Farben abgedrehte Vorspann bietet einen interessanten optischen Trip, der sich deutlich von der üblichen Standardware entfernt. Auch im späteren Verlauf gibt es immer wieder visuell beeindruckende Szenen wie Kameraflüge über das nächtliche Berlin oder die Bootsfahrt eines Engels, die im Gedächtnis hängen bleiben. Entsprechend ansprechend werden viele dieser Szenen musikalisch untermalt.

Auch das Drehbuch ist recht originell ausgefallen und ist (wie man an der Inhaltsbeschreibung deutlich merkt) Lichtjahre von dem den deutschen No-Budget-Bereich scheinbar beherrschenden Wald-und-Wiesen-Splatter entfernt - sicherlich mit ein Grund, dass Horch mit Al!ve als Partner sogar einen professionellen Vertrieb und eine DVD-Veröffentlichung mit einem schön gestalteten Cover bekommen hat. Da überraschen einige Festivalauszeichnungen schon gar nicht mehr.

Allerdings sollte man sich über einige Dinge im Klaren sein, die typisch für den No-Budgetbereich sind und sich leider auch ein wenig auf den Gesamteindruck von "Horch negativ auswirken. Die stellenweise recht schlechte Bildqualität kann man da noch ganz gut verschmerzen, viel schlimmer ist an einigen Stellen der Ton, der Gesprochenes oftmals unverständlich werden lässt.

Außerdem ist die Erzählweise trotz der Laufzeiten von etwa 80 Minuten und vieler origineller Einfälle teilweise recht zäh und die durchgängig ernste Handlung wirkt zwar sehr ambitioniert, allerdings hätte man sich viel mehr Seitenhiebe auf die Filmindustrie und ihre Schaffenden gewünscht. Dies kommt jedoch leider nur einmal bei Horch vor und zwar in einer (wirklich witzigen) Szene, in der alle Boulevard-Fernsehteam-Mitglieder spontan jammern, dass sie ja auch gerne einen richtigen Film drehen würden.

Große Darstellungskunst sollte man von den zahlreichen Jungschauspielerinnen und -schauspielern im Ãœbrigen nicht erwarten, aber akzeptabel ist das Dargebotene allemal. Wer genau hinguckt, entdeckt übrigens noch interessante Details wie einige gelungene Malereien und auch an recht interessanten Locations (Requisitenlagerhalle, Kellergänge, heruntergekommenes Treppenhaus, riesige Baugrube) kann man sich erfreuen - auch hier mal was anderes als der sonst im No-Budget-Bereich so beliebte Wald.

Fazit: Das Filmen wird zum Fanatismus - Horch bietet hierauf eine interessante Sichtweise. Wer die üblichen Nachteile einer No-Budget-Produktion hinnehmen kann und offen für einen wirklich ungewöhnlichen Film ist, den erwartet ein kleiner ungeschliffener Diamant des deutsch-griechischen Indie-Films.

23. Dezember 2010, von Reinhard 'Reinifilm' Rieß

Horch

DVD

Release20.11.2010
DistributorAL!VE