In-Game Items steigern Wertschöpfung von Computerspielen

Die Games-Branche ist geprägt durch schnelle Entwicklungszyklen, wenn es um neue Produkte und Technologien geht. Der Monetarisierung als Kernstück der Wertschöpfung kommt eine besondere Bedeutung zu: Wie muss ein elektronisches Spiel konstruiert sein, um Einnahmen zu generieren? Und welche Hemmnisse wirken dem entgegen? In seiner Untersuchung Frankfurt Game Studies - Monetarisierungsmodelle und Cloud Gaming legt Prof. Dr. Lutz Anderie, Professor für Wirtschaftsinformatik an der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS), seine Forschungsergebnisse im Vorfeld der gamescom vor.

Prof. Dr. Lutz Anderie Anderie kommt zu dem Ergebnis, dass sich „insbesondere Abo-Modelle, Cloud Gaming und die im Spielverlauf offerierten In-Game-Items, also virtuelle Güter, als Wachstumstreiber für die Wertschöpfung abzeichnen.“ Je länger eine Gaming-Session andauert, desto mehr Geld wird für In-Game Items ausgegeben. Die im Rahmen seiner Forschungsarbeit durchgeführten Befragungen von Games-Nutzerinnen und -Nutzern ergaben aber auch, dass Zeitverzögerungen durch eine unzureichende Datenübertragungsrate häufig das Spielerlebnis beeinträchtigen. Wo der Spielspaß stockt, können Marktpotenziale nicht vollständig abgeschöpft werden.

„Die Games-Branche ist die Speerspitze, wenn es darum geht, neue Technologien für andere Branchen zu entwickeln, weiterzuentwickeln oder zu testen. Computerspiele sind heute mit einer globalen Gesamtmarktgröße von über 150 Milliarden US-Dollar von volkswirtschaftlicher Bedeutung. Die Monetarisierung von Games wird aber aufgrund ihrer Komplexität und Schnelllebigkeit in der Forschung vernachlässigt. Hier schließen wir eine Lücke“, erläutert der Wirtschaftsinformatiker seinen Forschungsansatz. „Die Innovationskraft der Branche ist von hoher Relevanz für die Entwicklung des Standorts Deutschland.“

Die Forschungsergebnisse basieren auf insgesamt drei quantitativen und qualitativen Marktforschungsstudien, die von Studierenden interdisziplinär im Rahmen der Studiengänge Strategisches Informationsmanagement (Wirtschaftsinformatik am Fachbereich Wirtschaft und Recht) und International Business Information Systems (Internationale Wirtschaftsinformatik am Fachbereich Informatik und Ingenieurwissenschaften) der Frankfurt UAS durchgeführt wurden. Die Titel lauteten „Monetarisierungsmodelle in der Games-Branche und deren Bedeutung für den E-Commerce“ (70 Befragte), „Empirische Erhebung zur User-Akzeptanz und Monetarisierung von Top-Selling Videogames“ (775 Befragte) sowie „Cloud Gaming -Potential in the German Market“ (60 Befragte). Im Zeitraum zwischen September 2019 und Februar 2020 wurden Stichproben durch Internet-Mediated-Online-Befragungen und durch Face-to-Face-Interviews zur Erhebung von Primärdaten durchgeführt.

Zu den einzelnen Themengebieten wurden folgende Ergebnisse dokumentiert:

Abonnements und Cloud Gaming

Die Bedeutung von Abomodellen und Cloud Gaming nimmt insgesamt zu. Die Befragungen zeigten jedoch, dass Personen, die Home-Entertainment-Angebote wie z. B. Netflix und Music-Streaming-Plattformen wie z. B. Apple Music abonniert haben, keine erhöhte Affinität für das Cloud Gaming zeigen. Zwar spielen 85 Prozent regelmäßig Games (davon 23,3 Prozent täglich), aber nur 11,7 Prozent haben schon einmal ein Spiel in der Cloud gestreamt. Immerhin 73 Prozent wissen vom Angebot Cloud Gaming, die favorisierten Gaming-Plattformen mit einem Anteil von über 50 Prozent sind PlayStation und Mobile Phone.

Aber: Bei denjenigen, die Cloud Gaming nutzen, beklagen 50 Prozent, dass sie mangels einer ausreichenden Datenübertragungsrate kein zufriedenstellendes Spielerlebnis haben. Gamer erleben, dass ihre Spielaktivitäten (z. B. im Zweikampf) verspätet im Spielverlauf erfolgen, was zu Frustrationen führt. Die Akzeptanz unter Gamern für Abonnements ist höher für Gaming-Plattformen (z. B. PlayStation Now) als für einzelne Spiele (z. B. World of Warcraft): 55 Prozent der Befragten haben schon einmal einzelne Spiele abonniert, 67 Prozent hingegen Gaming-Plattformen. „Ein vielfältigeres Angebot bei Gaming-Plattform-Abonnements ist hierfür vermutlich der Grund“, so Anderie.

In-Game Items

Grundsätzlich akzeptieren 54 Prozent der Befragten In-Game Items und haben solche virtuellen Waffen, Fahrzeuge, Sticker oder Kleidungsstücke, die ihnen während des Spielens angeboten werden und den Spieleverlauf beeinflussen können, schon einmal gekauft. 97 Prozent der Befragten, die 100 bis 200 Euro jährlich für In-Game Items ausgeben, kaufen im gleichen Zeitraum auch kostenpflichtige Spiele (Pay-to-Play Games) im Wert von mindestens 50 Euro.

Und: Die Kaufbereitschaft nimmt bei längerer Spieldauer nicht ab, sondern zu. Bei einer Spieldauer von drei Stunden gibt die überwiegende Mehrheit der Gamer zwischen 1 bis 20 Euro pro Jahr für In-Game Items aus. 94 Prozent der Gamer, die vier Stunden oder länger spielen, investieren sogar 51 bis 200 Euro pro Jahr für In-Game Items während des Spielverlaufs.

Für die Games-Branche ist Künstliche Intelligenz (KI) längst fester Bestandteil bei der Entwicklung ihrer Produkte, „inzwischen verstehen KI-Systeme nicht nur das Spielverhalten des Users, sondern auch seine oder ihre Kauf- und Investitionsbereitschaft“, erläutert der Wirtschaftsinformatiker. Die These, dass die Kaufbereitschaft für In-Game Items geringer ist, wenn Nutzer/-innen bereits für das eigentliche Spiel bezahlt haben (Kannibalisierungseffekt), konnte laut Anderie widerlegt werden; mit der Einführung der kostenlosen Spiele erlangte KI für die Hersteller jedoch noch größere Bedeutung. Anderie: „Die Wertschöpfung der Games Industry erlebt durch Künstliche Intelligenz eine neue Dimension.“

24. August 2020, von Markus 'Markus S.' Schaffarz

Prof. Dr. Lutz Anderie