Review (Xbox 360): Assassin's Creed Rogue

Mit Assassin’s Creed Rogue veröffentlichte Ubisoft 2014 den mittlerweile siebten Teil in acht Jahren ihrer erfolgreichen Serie rund um das Meuchelmorden. Dass solch eine Serie, in Fachkreisen auch eine Cashcow genannt, dementsprechend an Abnutzungserscheinungen leidet, dürfte jeden klar sein, doch das hält die Mannen nicht davon ab, freudig immer mehr Assassin’s Creed-Titel herauszubringen. Die Frage nun: Kann Rogue trotz allem noch überzeugen und ein neues Spielerlebnis bringen?

“Möge der Vater des Verstehens uns leiten.“

Hauptcharakter von Assassin’s Creed Rogue ist der junge Shay Patrick Cormac, seines Zeichens Assassine im 18. Jahrhundert in Nordamerika. Aufgrund seiner aufbrausenden Art gerät er häufig mit seinen Mentoren aneinander, weiß aber schlussendlich doch, sein Temperament wieder unter Kontrolle zu kriegen. Das alles ändert sich, als er von Achilles Davenport, der Anhängern der Serie aus dem 3. Teil noch bekannt sein sollte, nach Portugal geschickt wird, um ein Artefakt, womöglich einen Edensplitter, zu finden und zu Achilles zu bringen. Als jedoch ganz Lissabon durch ein Erdbeben, ausgelöst durch die Berührung des Artefaktes, zerstört wird und Shay gerade so mit seinem Leben davon kommt, konfrontiert er Achilles, wird aber für seinen Ungehorsam bestraft. Nach einer weiteren Auseinandersetzung mit seinen Brüdern stürzt Shay von einer Brücke und wird von seinen ehemaligen Brüdern für tot befunden. Doch dieser wacht Jahre später in New York auf und macht sich nun auf, sich zu rächen. Dabei hat er eine mindestens genauso starke Gruppierung hinter sich: Die Templer…

Der neueste Teil trägt also völlig zurecht den Titel „Rogue“, was auf Deutsch so viel wie Abtrünniger, Einzelgänger, Schurke bedeutet. Damit bietet Rogue auch den interessantesten Plot seit der Ezio-Trilogie der Reihe. Shays Motive sind nicht nur sinnvoll, sondern auch mehr als nachvollziehbar. Ubisoft schafft es, der Grundgeschichte von Assassin’s Creed eine komplette 180° Drehung zu verpassen und die Held-Bösewicht Rollen komplett zu vertauschen, ohne dass es aufgesetzt wirkt. Doch leider bleibt die Story insgesamt doch auf einem flachen Niveau, sodass man zwar die Zusammenhänge versteht, sich aber doch ein wenig mehr in Richtung Charakterzeichnung wünscht. Da hilft es auch nicht, alte Bekannte wie Achilles wiederzusehen. Immerhin sind viele nette Anspielungen auf die früheren Teile in Rogue versteckt.

Technischer Stillstand Ahoi

Grafisch scheint Ubisoft auch das Nonplusultra aus der guten alten 360 rausgeholt zu haben, da es in dieser Richtung keinen wirklichen Fortschritt gibt. Die Charaktermodelle sehen alle sehr gut aus und bewegen sich auch sehr geschmeidig, doch im Vergleich zu Assassin’s Creed Revelations, das ich kurz nachdem ich Rogue durchgespielt hatte, mal wieder eingelegt habe, sind die Fortschritte doch nur marginal. Hinzu kommen ständige Pop-Ups, Clipping-Fehler und allgemeine grafische Fauxpas, wie man sie in den folgenden Bildern bestaunen kann:


Nichtsdestotrotz kann AC Rogue mit einigen sehr schönen Einstellungen, vor allem während des Segelns, Punkten. Unterstützend ist dabei die cineastische Kameraeinstellung, die automatisch bei der höchsten Segelgeschwindigkeit verwendet wird. Hin und wieder kann man nicht anders, als die Umgebung zu genießen. Dazu noch die wunderschönen Shanties der Crew und es kommt schon beinahe das Gefühl der Freiheit auf.
Das bringt mich zum nächsten Punkt: Der Sound. Als großer Fan von Originalstimmen war ich entzückt, dass Ubisoft dem Spieler die Möglichkeit gibt, verschiedene Sprachen auszuwählen. Natürlich wurde das bei mir Englisch, weswegen ich zur deutschen Synchro keine Worte verlieren kann. Die englischen Sprecher machen ihre Sache jedoch allesamt hervorragend. Die einzigen Fehler, die ich entdecken konnte, waren in der Lippensynchronität im Spiel selbst. Entweder haben sich die Lippen von Shay und Co. nur sporadisch bewegt, oder sie konnten überhaupt nicht den Mund halten. Das sieht man nur, wenn man wirklich darauf achtet, aber das Gelbe vom Ei ist das auf jeden Fall nicht. Insgesamt gibt es aber auch hier nicht viel zu beanstanden.

Das übergelaufene Badass

Wie schlägt sich Shay also im Getümmel? Nicht sehr viel anders, als es Connor und Edward gemacht haben (Zweiteres ist eine Annahme, da ich Black Flag noch nicht gespielt habe). Nach wie vor lässt sich Shay mit einer im Vergleich zu den vorigen Teilen vereinfachten, ja schon trivialisierten Steuerung durch Nordamerika bewegen. Dadurch funktioniert zwar das Free-Running relativ gut, ist aber nichts weiter als ein „Press RT to win“, wenn man so will. Trotzdem passiert es häufiger als gedacht, dass Shay seinen sturen irischen Kopf durchsetzen will und von einer Klippe nicht etwa in den schön aufbereiteten Laubhaufen springt, sondern lieber auf seinen Füßen zwei Meter daneben landet, was unweigerlich das Ableben zur Folge hat. Sowas ist einfach nur ärgerlich.
Im Kampf bedarf es schon einer großen Meute, damit Shay dem Ende nah kommt. Nach wie vor kann man die meisten Gegner locker auskontern, benutzt diese als menschlichen Schild oder durchbricht einfach deren Abwehr, während der Rest der Kontrahenten seelenruhig zusieht, wie ihre Freunde und Kollegen abgeschlachtet werden. Um es einmal ganz klar zu sagen: Shay ist übermächtig. Kaum ein Kampf stellt einen auf die Probe, sodass das Spiel doch sehr einfach wird und man selten in irgendeiner Mission stecken bleiben wird. Die einzigen Gegner, die eine kleine Herausforderung darstellen, sind die Bossgegner, wenn man sie denn so nennen will. Zumindest ist das ein spoilerfreier Begriff. Doch auch diese lassen sich mit einfachen Kontern bewältigen. Es macht zwar in gewisser Weise Spaß, solch einen geskillten Charakter zu spielen und wie der Terminator einen Leichenhaufen hinter sich zu lassen, doch fehlt einem einfach irgendwann die Herausforderung.
Die Stealthmechaniken haben sich auch nur marginal weiterentwickelt, wenn überhaupt. Nach wie kraxelt man über Stock und Gestein, versteckt sich in Büschen oder Laubhaufen und meuchelt seine Gegner heimlich, still und leise einen nach dem anderen ab. Dabei hilft natürlich auch Shays Waffenarsenal, was sich durchaus sehen lässt. Luftgewehr, Seildarte und Granatenwerfer (ja, richtig gelesen) sind halt schon einmal eine Hausnummer. Aber wieder führen diese Gadgets dazu, dass das Spiel viel zu leicht wird. Casual-Gamer werden ihre wahre Freude mit dem Spiel haben, Hardcore-Gamer sollten doch wieder zu Dark Souls, Bloodborne oder Super Meat Boy zurückkehren.

Mit einer Flasche voll Rum und einem Yo Ho Ho!

Immerhin sind die Meeresgefechte anspruchsvoller. Hier habe ich schon öfter mein Leben lassen müssen, was anfangs aber einfach meiner Unerfahrenheit mit der Morrigan lag. Aber immerhin werden die Seekämpfe zwar etwas einfacher, je mehr man sein Schiffchen upgradet, doch sie werden nie lächerlich einfach. Jeder, der mit der Schiffsfahrt in den Assassin’s Creed Titeln nichts anfangen kann, sei dieser Titel übrigens nicht empfohlen. Man verbringt eine Menge Zeit auf und mit der Morrigan, was mir persönlich gut gefallen hat, besonders wegen der tollen Atmosphäre, wenn man auf ruhigen Gewässern segelt und seine Mannen ein feines Liedchen trällern hört.
Abseits der Missionen hat es den Anschein, als gebe es eine Menge zu tun, doch wenn man nach und nach alle Städte absegelt, merkt man ziemlich schnell, dass es immer die gleichen Aufgaben sind. Sammel dies, sammel das, jage dies und das und übernehme Fort A, dann B, dann C. Mein Erkundungs- und Sammeltrieb wurde zwar auch hier wieder aktiviert, doch ist es im Endeffekt doch enttäuschend, dass man beinahe auf Assassin’s Creed 1 Level wieder angelangt ist. Eine willkommene Neuerung sind die Assassin Interceptions. Während man in den vorherigen Teilen immer mal wieder gewisse Ziele umbringen musste, muss man in Rogue eben diese Ziele beschützen. Keine bahnbrechende Innovation, aber immerhin bringt diese Aktivität ein wenig Abwechslung in das recht redundante Drumherum.
Die Erzählung in der Gegenwart ist leider einmal mehr sehr schwach ausgefallen. Man bewegt sich in Ego-Perspektive durch das Abstergo-Gebäude und muss immer mal wieder einen abgestürzten Server wieder zum Laufen bringen. Das macht man durch ein zugegebenermaßen kurzzeitig unterhaltsames Puzzle-Minispiel, was sich aber mit willkürlichen Zügen lösen lässt. Wer nicht gerade das Spiel auf 100% durchspielen will, wird wahrscheinlich nur vom Animus zum Server und wieder zurück zum Animus rennen, um Shays Geschichte weiterzuspielen.

Fazit

Durch die letzten Absätze hört es sich so an, als wäre ich von Assassin’s Creed Rogue nur enttäuscht. Das stimmt nicht. Auch wenn es spielerisch und erzähltechnisch gewisse Längen hat, ist es im Großen und Ganzen immer noch ein gutes Spiel und das beste Assassin’s Creed, das ich seit langer Zeit gespielt habe. Bei der Frequenz, mit der Ubisoft die Titel raushaut, heißt das nicht besonders viel, aber Assassin’s Creed Rogue hat mir doch knapp 20 Stunden gute Unterhaltung gebracht.

19. April 2015, von Steffen 'S. Fölsch' Fölsch

Ubisoft

Hersteller

Websiteubi.com/de

Assassin’s Creed Rogue

GenreAction
PublisherUbisoft
EntwicklerUbisoft Sofia
Websiteassassinscreed.com/rogue
Facebookfb/assassinscreed
Release11.11.2014
Twittertwitter/assassinscreed

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