Review (PS4): Metal Gear Solid V: The Phantom Pain

Metal Gear Solid V: The Phantom Pain (im Folgenden nur MGSV genannt) ist das gefühlt 200. MGS-Game, das als das letzte unter der Regie von Hideo Kojima gehandelt wird (wahrscheinlich eher 3. oder 4., je nachdem, ob man Peace Walker mitzählt). Doch nie zuvor haben die Umstände rund um Kojima und Konami es so klar wirken lassen. Angenommen, es ist sein Schwanenlied: Ist es ein wohlklingendes Meisterwerk geworden oder eher eine katastrophale Kakophonie?

Kept you waiting, huh…?

Nach neun Jahren wacht Big Boss plötzlich aus dem Koma auf, in das er am Ende von Ground Zeroes fiel. Kaum hat er sich damit abgefunden, dass er seinen linken Arm verloren sowie Splitter in seinem Kopf stecken hat, da gibt es auch schon ein Attentat auf das Krankenhaus mit einem einzigen Ziel: Ihn zu töten. Mit der Hilfe seines mysteriösen Bettnachbarn Ishmael gelingt es Boss, sich durch schwebende Kinder in Gasmasken, in Flammen stehenden Ungetümen und schwer bewaffneten Soldaten durchzukämpfen und mit der Unterstützung Revolver Ocelots zu flüchten. Nachdem es ihm auch gelingt, seinen alten Freund Kazuhira Miller zu retten, verfolgen alle Drei ein einziges Ziel: Rache an demjenigen zu üben, der für Boss‘ Koma und die Zerstörung von Mother Base verantwortlich ist: Der mysteriöse Skull Face.
Angenehm gestreamlined und auf das nötigste Fokussiert kommt der Plot des neuesten Epos der Metal Gear-Saga daher. Zumindest auf der Oberfläche, denn viel mehr als die Rachegeschichte wird in den Zwischensequenzen kaum erzählt. Das ist soweit aber nicht verwerflich, wurden die Vorgänger doch oftmals ziemlich kompliziert und schwer zu verstehen durch ihre ganzen Verzweigungen und vierfachen Betrügereien. Auf der anderen Seite ist es aber eigentlich genau das, was Metal Gear mittlerweile ausmacht, was durchaus dazu führen kann, dass alteingesessene Fans enttäuscht von der Geschichte von MGSV sind. Mich hat diese vergleichsweise spartanische Story jedoch nicht sehr gestört, trotz meines Fandoms seit Teil 1 auf der Playstation. Den Mannen rund um Hideo Kojima gelingt es, eine minimale Story so emotional darzustellen, dass einem öfter die Spucke weg bleibt und man die Sequenzen einfach nur genießen möchte bzw. von diesen geschockt ist. Jedoch bleiben die meisten Charaktere eher blass, was daran liegt dass Sie zu wenig sprechen oder nicht genug Screentime haben. Boss schweigt sich eher aus und führt die Missionen durch, während er von Miller und Ocelot Anweisungen per Funk durchgegeben bekommt und Skull Face, der sehr interessant wirkt, besitzt leider nur begrenzt Screentime. Am ehesten im Gedächtnis bleiben werden Quiet (amüsant, ob des vorigen Kritikpunktes der „fehlenden“ Dialoge) und Eli (über den ich nicht zu viele Worte verlieren will, da man hier schnell ins Spoiler-Areal rutscht).

Erstklassige Kinematographie

Nichtsdestotrotz zieht MGSV den Spieler in seinen Bann. Das liegt vor allem daran, dass die (zugegeben rar gesäten) Zwischensequenzen kinematographisch mit das Beste sind, was ich bisher in Spielen erlebt habe. Und dabei war es im Prinzip so einfach: Kojima hat sich einfach zwei mehr oder weniger bekannte Elemente der Filmindustrie herausgepickt und sie genial kombiniert: Die Handkamera sowie die Plansequenz, sprich lange Einstellungen ohne jeglichen Kameraschnitt. Ich könnte noch weiter davon schwärmen, doch meine Beschreibungen würden den Zwischensequenzen nicht gerecht werden. Chapeau Herr Kojima!
Zu einer filmreifen Darstellung darf die akustische Untermalung natürlich nicht fehlen. Diese ist auch exzellent ausgefallen. Ja, die Musik im Spiel hält sich eher zurück. Sie setzt nur bei Begegnungen mit Gegnern, in Bosskämpfen und Zwischensequenzen ein, untermalt diese jedoch absolut perfekt. Schön sind die akustischen Throwbacks zu den klassischen MGS-Teilen. So findet sich u. a. der typische Alarmsound der früheren Teile auch in MGSV, was einem zunächst ein Lächeln auf das Gesicht zeichnet, bevor man realisiert: „Verdammt, ich wurde ja entdeckt! Weg hier!“
Natürlich muss man an dieser Stelle auch den Elefanten im Raum ansprechen, der im Vorhinein schon für viel Diskussionsstoff gesorgt hat: Die Umbesetzung des Sprechers von Big Boss von David Hayter zu Kiefer Sutherland. Viele Fans brüskierten sich über den Wechsel, doch ich muss sagen: Sutherland macht seine Sache hervorragend, auch wenn Big Boss sehr blass bleibt aufgrund seines schon erdrückenden Schweigens in der Kampagne. Troy Baker (als Ocelot) und Robin Atkin Downes (Miller) sind umso öfter zu hören und liefern, wie die ganze Voicecast, eine super Leistung ab.

Grafische Innovationen bleiben aus

Auch grafisch muss sich MGSV keinesfalls verstecken. Natürlich wirken ein paar Animationen nicht so rund, es gib vereinzelt Pop-Ups und kleinere Grafik-Glitches, doch insgesamt sehen sowohl Afghanistan, Afrika als auch die Charakter-Modelle klasse aus. Blendende Sonne, Sand- und Regenstürme, feuchte Klamotten, mehr als ein Mal hat mich das alles staunen lassen. Dazu kommen die große Flora und Fauna sowie die detaillierten Charaktere. Jede Narbe an Big Boss ist klar und scharf zu erkennen, die kleinste emotionale Regung lässt sich an seinem Gesicht ablesen und so weiter und so fort. Ich bin mir sicher, dass kleinere technische Kniffe benutzt wurden, um das Nachladen von Texturen zu verstecken, was auch sehr gut gelungen ist. Alles in allem: Top, wenn auch nicht bahnbrechend.

The greatest Soldier that ever lived

Doch kommen wir zu dem was zählt und auf was die ganze Spielewelt seit der Ankündigung von MGSV gespannt war: Funktioniert Metal Gear Solid, das bisher eher von engen Gebäuden oder etwas größeren Arealen, in denen der Weg doch vorgegeben war, gelebt hat, in einer Open World? Diese Frage ist schnell und kurz beantwortet: Ja. Tatsächlich haucht die offene Spielwelt der Serie nicht nur neues Leben ein, sondern potenziert den Level der spielerischen Freiheiten beinahe ins Unendliche. Nicht nur die Missionen lassen sich auf unterschiedlichste Arten absolvieren, schon der Weg zum Einsatzgebiet kann sich je nach Spielweise und ausgewähltem Loadout dramatisch von Spieler zu Spieler und auch je nach Durchlauf unterscheiden. Experimentierfreudige Spieler werden sich also im Paradies wiederfinden, nicht zuletzt dank der unglaublichen Masse an Gadgets und Waffen, die sich entwickeln lassen und natürlich ausprobiert werden wollen. Doch um alle Objekte und Waffen freizuschalten, wird man lange brauchen. Die Frage ist demnach eigentlich auch eher, ob man das wirklich will. Ziemlich schnell habe ich mein Lieblings-Loadout gefunden, mit dem ich fast jede Mission locker erfolgreich bewältigen konnte.
Doch zurück zu den Missionen selbst. Wie wohl schon lange bekannt ist, darf man sich vor Missionsstart ein Loadout zusammenstellen, wählt einen von vier Buddies und die Uhrzeit, zu der man abgesetzt werden möchte, ob man im "Free Roam", um einer Mission nachzugehen oder ein paar Side Ops zu erfüllen. Das alles klappt wunderbar einfach. Sollte man in den Missionen dann aber doch mal eine Waffe vermissen, lässt sich diese einfach über Snakes neuen iDroid von der Motherbase schicken lassen. Das kostet ein paar GMP (die Währung in MGSV), ist jedoch sehr zu verschmerzen. Sogar Buddies und Vehikel lassen sich über das beinahe allmächtige Gerät „bestellen“. Und während man auf seine Lieferung wartet, lauscht man dem coolen 80er Jahre Soundtrack. Wer wollte nicht schon einmal in einem Kriegsgebiet abgesetzt werden, während im Hintergrund „Take on me“ oder „The Final Countdown“ läuft? Leider lassen sich keine eigenen Lieder in das Spiel importieren, was dem Ganzen noch die Krone aufgesetzt hätte.
Während den Missionen setzt man nicht nur alles dran, das Missionsziel (inkl. Bonuszielen) zu erfüllen, sondern exfiltriert auch so viele Soldaten wie möglich, denn immerhin muss Snakes Motherbase einmal mehr aufgebaut werden. Im Verlauf des Spiels wächst nicht nur die Belegschaft der Motherbase, auch sie selbst will stetig ausgebaut werden: Intel-, Medizin- und R&D-Teams bekommen ihre eigenen Plattformen, und sogar ein kleiner Zoo gehört zu Snakes neuem Zuhause. Ja, man kann nicht nur Soldaten, sondern auch allerlei Tiere aus Afghanistan und Afrika per Fulton zur Motherbase schicken lassen. Ein großer Spaß, und sind wir ehrlich: Wer wollte noch nie einen Bären sehen, der von einem Fulton-Schirm in den Himmel gezogen wird? Leider lohnt eine Begehung der Basis bis auf zwei drei Ausnahmen nicht wirklich. Man kann zwar die Moral seiner sadomasochistisch-veranlagten Soldaten durch kleine Sparringseinheiten erhöhen, doch insgesamt herrscht tote Hose.
Nach einer kurzen Eingewöhnung hat man die sehr umfangreiche Steuerung verinnerlicht und fühlt sich wirklich wie der beste Soldat aller Zeiten. Beinahe schon übermächtig, denn dank des Reflex-Modus hat man selbst nachdem man entdeckt wurde noch etwas Zeit, den Gegner, der einen erspähte, auszuschalten. Die KI der Widersacher ist auch recht ausrechenbar, agiert bis auf ein paar kleine Aussetzer aber sehr realistisch und, zumindest anfangs, recht fordernd. Doch nicht zuletzt dank der Buddies stellen die gegnerischen Outposts und Basen nur kleinere Hindernisse dar. D-Dog, mein persönlicher Liebling, agiert wie in den früheren Teilen das Soliton-Radar und kann auf Befehl Gegner angreifen oder sogar töten. Quiet, die leicht bekleidete Scharfschützen, agiert ähnlich, da sie die gegnerischen Basen ausspäht und sich danach eine ideale Scharfschützenposition sucht. D-Walker ist den beiden eben genannten in der Funktion sehr ähnlich, nur D-Horse fällt ein wenig aus der Reihe, da es „nur“ Gegner ablenkt und für eine schnellere Fortbewegung sorgt. Auch wenn es so viele unterschiedliche Möglichkeiten gibt, an Missionen heranzugehen, bleibt das ungesehene Bewältigen jedoch nach wie vor das A und O von MGSV und erfüllt den Spieler auch am meisten mit Stolz. Am Ende einer Hauptmission wird der Spieler zudem mit einer Note bewertet, die einen zusätzlichen GMP-Bonus bringt.

Und täglich grüßt Big Boss

Die Missionen selbst ähneln sich leider viel zu sehr. In der ersten Hälfte des Spiels fällt das noch nicht so ins Gewicht, da das ganze Spielerlebnis neu ist und man jede mögliche Strategie ausprobieren möchte. Doch vor allem im zweiten Akt verliert das Spiel sehr an Fahrt und verlässt sich nur auf leicht abgeänderte Missionen bzw. schwerere Varianten oder Challenge-Modi, wenn man so sagen möchte. Während der erste Akt mich sehr in seinen Bann zog und ich unbedingt alle Side-Ops und Missionen bewältigen wollte, musste ich mich im zweiten Akt teilweise dazu zwingen, alle Missionen anzugehen. Man entwickelt irgendwann auch eine Strategie für jede einzelne Basis in Afghanistan und Afrika, sodass man sofort weiß: „Ok, die Mission ist da und da, da geh ich am besten so ran“ etc. Das macht zwar nach wie vor Spaß, aber dieser wird durch die Routine, die eintritt, doch etwas gedämpft.

Fazit

Ihr merkt, ich könnte stundenlang weiterschwafeln. Es gibt so viele Elemente, die ich nicht angesprochen habe, wie die FOB-Missionen, Metal Gear Online, geschnittener Content und noch so viel mehr. Ihr merkt, Metal Gear Solid V - The Phantom Pain ist ein unglaublich umfangreiches Spiel, das einem vor allem wegen seinem herausragenden Gameplay und daraus resultierenden, unnachahmlichen Situationen lebt. Von der Story her kommt es nicht ansatzweise an seine Vorgänger ran, doch in den knapp 60 Stunden, die ich mit dem Spiel verbracht habe und zu 73% abgeschlossen habe, hatte ich sehr viel Spaß. Die schwache Story kann einem etwas sauer aufstoßen, doch die Präsentation und das Gameplay machen das wieder wett. Eine klare Kaufempfehlung von meiner Seite!

14. November 2015, von Steffen 'S. Fölsch' Fölsch

Konami Digital Entertainment B.V.

Publisher

Websitekonami-europe.com

METAL GEAR SOLID V: THE PHANTOM PAIN

PlayStation4 Spiel

PublisherKonami Digital Entertainment B.V.
Release01.09.2015

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