Review (Kino): Lucy

„Durchschnittlich nutzt jeder Mensch nur 10% seiner geistigen Kapazitäten. Was passiert, wenn sie 100% erreicht?“ Mit dieser mehr als interessanten Prämisse schickt Luc Besson seinen neuen Thriller Lucy, mit Scarlett Johansson als die titelgebende Protagonistin, in die Kinos. Eigentlich eine mehr als gute Ausgangslage für einen spannenden Film. Schauen wir mal, was aus Lucy geworden ist.

Während ihres Auslandsstudiums in Taiwan wird die 25-jährige Lucy (Scarlett Johansson) von ihrem Freund Richard (Pilou Asbæk) dazu gezwungen, einen Koffer in einem Hotel abzuliefern. Ihr schlechtes Gefühl bei der Sache wird bestätigt, als sie durchs Fenster der Lobby sieht, wie Richard erschossen wird und sie auf ein Hotelzimmer gebracht wird. Schlussendlich wird sie als Drogenkurier benutzt, um eine wertvolle synthetische Droge in die USA zu schmuggeln. Doch der Beutel in ihrem Bauch, in dem die Drogen aufbewahrt werden sollten, wird undicht, und das CPH4 findet den Weg in ihren Kreislauf. Normalerweise würde das den Tod bedeuten, doch auf sie hat die Droge eine andere Wirkung: Lucy erhält immer mehr Kontrolle über ihre geistigen Fähigkeiten. Was passiert nun, wenn diese schlussendlich 100% erreicht?

Vorfreude ist die schönste Freude

Der erste Trailer hatte mich schon spitzohrig gemacht. Der Grundkonflikt war sehr interessant dargestellt, und Scarlett Johansson ist nicht nur nett anzusehen, sondern auch eine sehr gute Schauspielerin. Packt man noch Morgan Freeman dazu, ist es eigentlich schwer, so eine Vorlage kaputtzumachen. Und die ersten 20 Minuten können auch vollends überzeugen. Der überraschende Tod Richards sowie die Entführung und der Missbrauch (nicht im sexuellen Sinne) Lucys sind wirklich toll und spannend inszeniert. Ok, die Zwischeneinspieler aus dem Tierreich, die Luc Besson zwischen diese Szenen gepackt hat sind überflüssig und ein wenig irritierend, da sie von der eigentlichen Story ablenken, spiegeln aber Lucys Situation wieder. Verschmerzbar. Es ist auch wahnsinnig interessant und gut gespielt, wenn sie immer mehr Kontrolle über ihre geistigen Kapazitäten erlangt, und somit totale Kontrolle über ihren Körper bekommt, inklusive der Kontrolle über ihr Schmerzempfinden und ihren Stoffwechsel. Leider Gottes treibt es den Film aber kurz danach zu sehr in die Science-Fiction Ebene, wenn Lucy auf einmal dank ihrer gesteigerten Kapazitäten andere Menschen kontrollieren kann. Bei mir persönlich war die Szene, als sie á la Jean Grey die Gedanken eines anderen Menschen durch Daumenauflegen lesen kann, der erste Moment, in dem ich gerne im Kino aufgestanden wäre und „I call Bullshit!“ gebrüllt hätte. Wäre aber wohl nicht so gut gekommen…. Ab dieser Szene wird jeglicher Realismusbezug über Bord geworfen, wodurch sich der Film beinahe in eine Art Nachfolger der X-Men-Filme verwandelt, mit Johansson als Jean Grey, wie bereits gesagt. Das ist aber leider nichts Gutes in dem Fall, da Lucy einfach viel zu mächtig ist und man sich in keiner Situation um ihr Wohl sorgen muss. Es gibt zwar ein Timelimit in dem Film, aber wirklich spannend ist eigentlich nur die Frage, was passiert, wenn ihre geistigen Fähigkeiten 100% erreichen. Leider Gottes ist das Finale ebenso an den Haaren herbeigezogen wie der Plot nach einer halben Stunde und wirkt sogar schon irgendwo lächerlich.

Natürlich ist der Film nicht nur schlecht. Die Actionsequenzen, zum Beispiel, sind nett inszeniert, und auch einige optische Spielereien sind nett. Das bezieht sich vor allem auf die Szenen, in denen der Zuschauer die Welt so wahrnimmt, wie es Lucy nun tut. Es ist schon faszinierend, sich vorzustellen, man könnte jegliche elektronischen oder natürlichen Wellen sehen, oder den Versorgungskreislauf von Pflanzen. Hier punktet der Film wieder. Neben Scarlett Johansson ist das aber auch tatsächlich beinahe das Einzige, mit dem Lucy bei mir punkten kann. Die Musik insgesamt weiß noch zu gefallen, und die deutsche Synchro ist auch wieder gut geworden (besonders Luise Helm als Johansson), insgesamt zieht aber der lächerliche Plot den Film doch qualitativ ziemlich weit herunter.

One Woman Show

Wie ich es mal in einem Video gehört habe: Zu viel Scarlett Johansson gibt es nicht. Eine Aussage, der ich irgendwo Wahrheit zugestehe. Selbst, wenn sie nur als Stimme auftritt wie in Her, ist sie doch meist eine der besseren Mitglieder der Cast. In Lucy könnte man denken, ist sie die einzige, die wirklich schauspielert (bzw. schauspielern muss). Am Anfang sieht man von ihrer Klasse auch ein eine Menge, wenn sie die verängstigte Studentin spielt. Im Laufe des Films verkommt ihr Schauspiel jedoch zu einem One-Face-Spiel, was aber an dem Charakter liegt. Das ist schon irgendwo schade, passt aber halt zum Film. Es gibt kaum eine Szene, in der sie nicht der Fokus ist bzw. nicht auftritt. Dementsprechend überflüssig wirkt der Rest der Schauspielriege. Selbst Morgan Freeman hat vielleicht 20 Minuten Screentime und wirkt, als wäre er nur engagiert worden, um noch ein weiteres Zugpferd auf die Plakate setzen zu können. Auch wenn er seine Sache wiederum nicht schlecht macht, wirkt seine Beteiligung am Film aber doch überflüssig. Hier hätte man auch einen weniger großen Schauspieler nehmen können, ihn schlau aussehen und die paar Sätze sprechen lassen können. Zum Rest der Cast sag ich nichts, da sie das Paradebeispiel der Austauschbarkeit sind.

Fazit

Es tut mir immer weh, eine schlechte Meinung zu einem Film abgeben zu müssen, in denen 2 meiner Lieblingsschauspieler mitmachen und der eine so interessante Grundlage hat. Aber Lucy driftet nach einer halben Stunde einfach ins Lächerliche ab, was dem ganzen Film wehtut. Ich habe nichts gegen abgedrehte Science-Fiction, aber dann sollte man am Anfang nicht so einen Fokus auf die (tatsächlich existierende) wissenschaftliche und philosophische Grundlage setzen. Trotz netter Effekte kann ich Lucy deswegen nicht empfehlen.

15. August 2014, von Steffen 'S. Fölsch' Fölsch

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