Review (DVD): Sommer der Liebe

Versuchen wir es mal mit einer Art Zusammenfassung: Deutschland, in den 70ziger Jahren. In einem streng katholischen Kloster entdeckt der Hauswart die Macht und den Klang der Liebe, öffnet den Nonnen die Augen für die Schönheit der sexuellen Befreiung und dank entsprechender Musik und bewusstseinsverändernden Drogen schreiten man voran in den "Sommer der Liebe

oder so ähnlich, den eine Zusammenfassung des Filminhaltes ist kaum möglich, stammte der Streifen doch vom Enfant-Terrible des deutschen Films, Wenzel Storch, der schon mit "Die Reise ins Glück"" eines der bizarrsten Werke der Filmgeschichte auf die Kinoleinwand gebracht hat. Und auch wenn "Sommer der Liebe"" noch vor "Reise ins Glück"" entstand und vielleicht nicht ganz so aufwendig ist – "Sommer der Liebe"" ist fast genauso abgedreht und der gesamte Film ist ebenfalls kaum in Worte zu fassen.

Was bei dieser 70er-Jahre-Schlagerfilm-Farce auch wieder auffällt, ist Wenzel Storchs enorme Liebe zum Detail. Mit absoluter Besessenheit wird alles aufgefahren, was nur irgendwie 70er-Jahre-mäßig ist. Dies passiert nicht in hipper Retro-Coolness, sondern lässt auch keine Peinlichkeit aus. So darf man sich auch an Sprüchen, Witzen und Formulierungen erfreuen, mit denen man heute auf überfüllten Partys schlagartig für kraterartige Leere im näheren Umkreis sorgen würde. Dafür gibt es aber ebenfalls die entsprechende Musik – und die war und ist bekanntlich ja sehr groovig.

Abgesehen davon, dass "Sommer der Liebe"" einen den permanenten "Was zum...???""-Ausdruck bis zum Krampf ins Gesicht zaubert – es ist absolut beeindruckend, mit welcher Coolness Regisseur Wenzel Storch komplett sein eigenes Ding durchzieht und sich an dabei an keinerlei Konventionen hält. Selbst Geschmacksgrenzen werden, wenn auch nicht ganz so krass wie bei "Reise ins Glück"", gerne mal wieder verletzt und spätestens wenn man sich von der 70er-Jahre Glückseligkeit eingelullert fühlt, gibt es eine selten dämliche Splatterszene.

Darstellerinnen und Darsteller kommen bei ""Sommer der Liebe"" allesamt aus dem Amateurbereich, was allerdings für den Film auch völlig egal ist. Die Hauptrolle als Klosterhauswart spielt (genauso wie in "Die Reise ins Glück"") wieder der ehemalige Lastwagenfahrer Jürgen Höhne, ein echtes Unikat und Naturtalent, das auch von Storch entdeckt wurde. Bild und Ton der uns freundlicherweise zur Verfügung gestellten DVD sind äußerst wechselhaft, was allerdings lustigerweise sogar gut zu dem Film passt und ein wenig 8mm-Flair aufkommen lässt (Anmerkung: Könnte vielleicht daran liegen, dass teilweise auf 8mm gedreht wurde ;-)). Außerdem bietet die DVD noch eine zweite Scheibe mit massig Extras und ein wirklich schön gestaltetes Cover. Zu beziehen ist die "Sommer der Liebe""-DVD auch über.

Noch ein persönliches Statement zu einer unfreiwilligen Werbeaktion für den Film. Als "Sommer der Liebe"" 1994 in einem Göttinger Kino gezeigt wurde, entführte eine feministische Gruppe die Filmrolle, da ihrer Ansicht nach sexistische Grundmuster durch den Film manifestiert werden. Abgesehen von entsprechender Kommentare in der Satire-Zeitschrift "Titanic"" und der Veröffentlichung des Bekennerschreibens von Wenzel Storch auf seiner Homepag – wer dem Film latenten Sexismus vorwirft, muss einen anderen Streifen meinen, denn hier werden die Rollenmuster der 70er (die trotz aller Aufklärung ja noch sehr massiv vorhanden waren) komplett persifliert, so dass kaum ein Betrachter von "Sommer der Liebe"" zum Sexist werden dürfte.

Fazit: Hut ab! Es ist echt beeindruckend, dass es in Deutschland noch jemanden gibt, der die Eier hat und Filme wie "Sommer der Liebe"" dreht – so komplett durchgeknallt, dass sich die Fußnägel kräuseln, und völlig losgelöst von üblichen erzählerischen Strukturen. Wer wissen will, was das Gegenteil zu einer Mainstream-Komödie ist – unbedingt "Sommer der Liebe"" ansehen!

23. März 2011, von Reinhard 'Reinifilm' Rieß