Review (BD): Inside Llewyn Davis / Another Day, Another Time

In der ersten Einstellung ein Mikro, schön lange, dann Blicke auf den Sänger, in den Raum, ins Publikum, jemand läuft durchs Bild, dann wieder der Sänger, als suche die Kamera nach einem Punkt zum Festhalten: Llewyn Davis wird in der folgenden Geschichte ebenso nach Orientierung suchen wie wir als Zuschauer. Was für ein wundervoller Film der Coen-Brüder über ein paar Tage im Leben eines Folk-Musikers Anfang der 1960er. Jetzt frisch auf Bluray in einer erweiterten Special Edition.

Folk zu spielen, ist die einzige Art der Kontaktaufnahme, die Llewyn Davis beherrscht. Ohne Musik gibt es keine Sprache - und keine Hoffnung. In einer Szene am Abendbrottisch wird er gebeten, einen alten Song zu spielen. Als dessen Mutter in den Part seines verstorbenen Ex-Partners einsteigt, wird es plötzlich sehr emotional. Seiner Trauer entzieht er sich mit dem Argument, er sei Berufsmusiker. Klarer als an dieser Stelle kann es kaum werden, dass diese Musik mit all ihrer ästhetischen Melancholie eine Zuflucht ist für eine verletzliche Seele.

Das einzige echte Gegenüber ist ein Kater, wobei es sich genau genommen um einen Kater und eine Katze handelt. Für diese übernimmt Llewyn zeitweilig sogar Verantwortung, nachdem er sie versehentlich aus dem Haus gelassen hat. Er erfährt, dass er zwei Jahre zuvor Vater in Akron geworden ist, lässt aber auch diese Abbiegemöglichkeit zu einer Wendung seines Lebens aus. Am Highway-Exit nur ein kurzes Aufflackern, dann wieder traurige Ergebenheit. Kurz danach läuft ihm die Katze vor den Wagen. Es ist klar: Die Verwundung ist seine. Die Katze steht für das, was ihn als soziales Wesen ausmacht, Träume, Verantwortung, Selbstbestimmtheit.

Selbstverständlich findet der Kater auch allein wieder nach Hause zurück. Echte Fassungslosigkeit gibt es nur ein einziges Mal auf dem Gesicht Llewyn Davis‘: als er seinen Namen erfährt. Er heisst Odysseus ...

Am Ende teilt sich Llewyn Davis seine Abendgage mit Bob Dylan. Während dieser auf der Bühne unverkennbar fasziniert, holt sich Llewyn am Hinterausgang in einem handfesten Deja vú eine Tracht Prügel. Der Lebensweg von beiden und von vielen anderen, die so oder ähnlich in der Szene unterwegs gewesen sind, ist hier abgebildet.

Dieser Film ist unglaublich komisch. Selten gab es soviel zu lachen über eine so traurige Geschichte. Mit großer Spielfreude und großartig besetzt mit Oscar Isaac, Justin Timberlake, Carey Mulligan und, so nebenbei, John Goodman als Junkie. Wunderbar fotografiert von Bruno Delbonnel („Die fabelhafte Welt der Amelie“). Perfektes Timing.

Inside Llewyn Davis ist unwiderstehlich und lange nachwirkend. Schon deshalb gebührt ARTHAUS/STUDIOCANAL ein Dank für die gelungene Blueray-Edition. Sie enthält neben einem sehenswerten „Making of“ eine zweite Disc mit dem Konzertmitschnitt der am Film beteiligten Musiker mit dem Titel „Another Day, Another Time“. Damit kann dieser Filmabend standesgemäß ausklingen.

12. Mai 2014, von Uwe 'UMK' Kawohl

Inside Llewin Davis

Blu-ray Disc

Release10.04.2014
DistributorStudioCanal
Laufzeit3h 14m
DarstellerOscar Isaac Carey Mulligan Justin Timberlake Garrett Hedlund John Goodman F. Murray Abraham
RegieJoel Coen Ethan Coen
MusikMarcus Mumford T Bone Burnett