Preview (Kino): Das Zimmermädchen Lynn

Skurril, verstörend, fremd - Die Pointe des Films: Schaue erst unter’s Bett, bevor du dich in deinem Hotelzimmer niederlässt…

Bei dieser Quintessenz könnte man meinen, es handelt sich bei Das Zimmermädchen Lynn um einen düsteren Horrorstreifen, aber Ingo Haebs Romanverfilmung von Markus Orths ist vielmehr ein emotionsloses, klinisch sauberes Drama: Lynn (Vicky Krieps) mag es sauber, sehr sauber. Deshalb arbeitet sie als Zimmermädchen in einem Hotel. Neben ihrem Putzfimmel leidet sie jedoch auch an Kleptomanie, weswegen sie auch in einer Therapie war. Das sind aber noch lange nicht genug Zwänge… Einmal wöchentlich legt sich die 30-Jährige heimlich unter ein Bett eines Hotelgastes und belauscht Fremde beim Bewältigen ihres Alltags. Erst mit der Bekanntschaft mit dem Callgirl Chiara (Lena Lauzemis) entdeckt sie eigene (sexuelle) Bedürfnisse.

Perfektion und Leidenschaft: Lynn beim PutzenDie Perfektion und Leidenschaft, die Lynn beim Schrubben und Aufräumen an den Tag legt, fehlen ihr bei dem Aufbau von zwischenmenschlichen Beziehungen. Was jedoch ihre Berufung und ihre sozialen Bindungen gemein haben: Sie sind steril und kühl. So führt sie eine leblose, rein sexuelle Verbindung mit ihrem Chef Heinz (Steffen Münster). Nach dem Sex fragt sie stets nüchtern und naiv: „War es gut?“.

Lynn (Vicky Krieps) sorgt mit ihrer in sich gefangenen, zwanghaften Art für den ein oder anderen (unfreiwillig) komischen Moment. So untersucht sie penibel und sehr gewissenhaft mit einem Zahnarzt-Spiegel den Toilettenrand auf Rückstände ab. Genauso ist es für sie selbstverständlich, dass sie die Wasserflecken im Waschbecken nach dem Händewaschen mit einem Handtuch säubert, auch wenn es das Bad einer Fremden ist, das sie während eines Spazierganges aufgesucht hat, weil sie auf Toilette musste. Oder sie putzt eine Zahnbürste, auch wenn es nicht ihre eigene ist.

Lynn lauert bei ihrem wöchentlichen Ritual unter dem HotelbettDa Lynn kein eigenes Leben hat, steht ihr heimliches Beobachten von Hotelgästen im Mittelpunkt. Und der Zuschauer beobachtet wiederum Lynn. Ab und zu verschwimmen mithilfe der subjektiven Kamera der Blick des Zuschauers mit dem von Lynn: Zusammengekauert unter dem Bett linst man auf vorbeischlendernde Füße und hört Fremden beim Telefonieren, Duschen oder Sex zu. Mit diesem geschickten, aber nicht ungewöhnlichem Stilmittel des Voyeurismus gewinnt der Film allerdings keinen erzählerischen Kniff. Die blassen Farben, die trägen Dialoge sowie der sehr langsame Schnitt sorgen stets für eine Entschleunigung und einen skurrilen Filter. Hinzu kommt, dass das Drama komplett nachsynchronisiert wurde. Damit sollte laut Regisseur Ingo Haeb vermieden werden, dass eine uns bekannte Realität abgebildet wird, und stattdessen sollte „eine ganz eigene, neue und fremde Welt [subtil auf der Tonebene]“ erzeugt werden.

Zweifellos zeigt uns Ingo Haeb durch seine skurille Bildästhetik eine uns fremde Welt, besonders subtil geschieht dies meiner Meinung nach jedoch nicht. Sofort fällt auf, dass Lynn und ihre verbildlichte Gedankenwelt anders ist. Selbst der Mittelscheitel und ihre Haarspangen sitzen immer penibel an derselben Stelle. Erst mit den neuen, sexuellen Erfahrungen mit dem Callgirl äußert sich Lynns emotionale (und kurzweilige) Entwicklung in einem Seitenscheitel. Das Callgirl Chiara erweckt bei Lynn unerwartete GefühleGetragen wird der Film von ihr, keine Frage. Vicky Krieps wurde dafür als beste Schauspielerin mit dem Förderpreis Neues Deutsches Kino ausgezeichnet. Jedoch erscheint ihr 90-minütiger Weg sehr schwerfällig. Deshalb fällt es leicht, den Plot mit einem Satz zu beschreiben: Man schaut Lynn sowohl wörtlich als auch metaphorisch beim Putzen zu. So scheint der Film eine Endlosschleife zu sein, wie Lynn es passend zusammenfasst: "Das Schöne am Putzen ist, dass es immer wieder schmutzig wird."

Fazit

Ein Drama über eine bemitleidenswerte Protagonistin, die ihre Unfähigkeit für emotionale Bindungen in zwanghaftem Putzen und Beobachten von Fremden äußert. Trotz einigen Auszeichnungen ein zäher Film mit schwerfälliger und nüchterner Bildsprache.

30. Mai 2015, von Katharina 'Katharina S.' Späth

Lynn lauert bei ihrem wöchentlichen Ritual unter dem Hotelbett
Perfektion und Leidenschaft: Lynn beim Putzen
Das Callgirl Chiara erweckt bei Lynn unerwartete Gefühle

Das Zimmermädchen Lynn

Kino

Websitemovienetfilm.de/lynn
Release28.05.2015
GenreDrama
DistributorMovienet Film GmbH
Laufzeit1h 30m
DarstellerVicky Krieps Lena Lauzemis Steffen Münster Christian Aumer Christine Schorn
RegieIngo Haeb
MusikJakob Ilja

Movienet Film GmbH

Publisher

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