JOHN CARTER - ZWISCHEN ZWEI WELTEN: Regisseur Andrew Stanton im Interview

„Ich wollte die Ideen in Burroughs‘ Büchern auf die große Leinwand übertragen sehen, damit ich sie mir im Kino anschauen konnte. Nie aber hätte ich gedacht, dass ich einmal für diese Verfilmung verantwortlich sein würde.“ (Regisseur Andrew Stanton)

Gespräch mit Regisseur Andrew Stanton

Andrew Stanton, Oscar®-gekrönter Drehbuchautor und Regisseur, wuchs mit Edgar Rice Burroughs’ epischem Weltraumabenteuer „A Princess of Mars“ („Die Prinzessin vom Mars“) und den zehn folgenden Romanen aus der Reihe auf, liebte die Bücher, die als „Barsoom-Chroniken“ bekannt wurden. Doch nie hätte er es sich erträumen lassen, dass er eines Tages diese Bücher mit seinem ersten Live-Action-Film JOHN CARTER - ZWISCHEN ZWEI WELTEN auf die Leinwand bringen würde.

Für Stanton ging es aber nicht nur darum, die Chance zu erhalten, Burroughs’ Bücher auf die Leinwand bringen zu können. Er wollte mit seinem ersten Live-Action-Film auch erreichen, dass dieser sich von allen anderen Science-Fiction-Filmen unterschied. „JOHN CARTER - ZWISCHEN ZWEI WELTEN ist ein gewaltiges episches Science-Fiction-Abenteuer mit Romantik, Action und politischen Intrigen“, fährt Stanton fort. „Weil das Buch schon vor so langer Zeit geschrieben wurde, ist es eine Art Keimzelle für solche Geschichten – es war ein Comic, bevor es Comics überhaupt gab, und eine Abenteuergeschichte, bevor diese und folgende ein eigenes Genre begründeten. Es war schwer, sich wieder mit diesem Buch zu befassen, ohne den Eindruck zu erwecken, nur von allen anderen Projekten etwas übernommen zu haben. Denn im Laufe von 100 Jahren ist das Buch entweder dreist kopiert worden oder hat andere Bücher und Filme inspiriert.“

Zu den Elementen, die die Geschichte von John Carter einzigartig machen, gehört der Schauplatz. Die Handlung spielt kurz nach dem amerikanischen Bürgerkrieg - auf der Erde wie auch auf Barsoom. „Wie Wissenschaft, zukünftige Technologie und Fantasy hier gesehen wird, spiegelt wider, wie die Menschen zu dieser Zeit [1912] die Welt verstanden“, erklärt Stanton. „Meiner Ansicht macht den Reiz und Charme dieser Bücher und Figuren zu einem Teil aus, dass sie nicht der heutigen Zeit, sondern der Zeit kurz nach dem amerikanischen Bürgerkrieg angehören. Ich wollte diesen Eindruck nicht nur auf der Erde, sondern auch auf Barsoom vermitteln. Der Film sollte eine eigene Kategorie besetzen, es sollte unmöglich sein, ihn auch nur zufällig mit anderen jüngeren Science-Fiction- oder Fantasy-Filmen vergleichen zu können. Denn hier handelt es sich um Science-Fiction aus der Perspektive eines Mannes aus der Zeit um die vorletzte Jahrhundertwende. Deshalb hat der Film eine coole altmodische Aura, mit der man spielen kann. Ich wollte an natürlichen Schauplätzen drehen und das Gefühl vermitteln, als befände man sich auf beiden Planeten wirklich in dieser Zeit.“

„Aus diesem Grund haben wir zum Beispiel auch in Utah gedreht, einige Regionen dort geben einem wirklich das Gefühl, in einer anderen Welt zu sein“, fährt Andrew Stanton fort. „Markant ist an Utah, dass hier einmal ein Ozean war, den es längst nicht mehr gibt, ähnlich wie in vielen Regionen auf dem Mars. Deshalb kann man in bestimmten Gebieten dieses Bundestaats leicht den Eindruck bekommen, dass man sich in einer anderen Welt befindet. Ich wollte das Gefühl von einer romantischen Ära in einer fremden Welt erzeugen, denn zu den coolen Dingen aus den Büchern, die ich nie vergessen konnte, gehörte auch, dass jeder in dieser anderen Welt durch die Luft segeln konnte. Das kann man mit Großseglern vergleichen, denen der Wind in die Segel bläst, aber diese ‚Luft’-Schiffe können von den Lichtstrahlen angetrieben werden, die von der Planetenoberfläche reflektiert werden – ähnlich wie ein schwebender Puck beim Air-Hockey. Mir ging es also um dieses elegante Gleiten, das aus dieser Zeit kommt, in der noch nichts automatisiert ist. Mich faszinierte auch, dass der Mars ein sterbender Planet war und dass die Wüste sehr romantisch, aber auch unheimlich sein kann.“

Eine weitere Herausforderung war für Stanton, die verschiedenen Völker realistisch zu kreieren. Dazu gehören unter anderem 2,80 Meter große, grünhäutige Krieger mit Stoßzähnen, pferdeähnliche Geschöpfe mit acht Beinen, die Thoats genannt werden, und die Calots, Tiere, die in ihrem Erscheinungsbild Aufschluss darüber geben, was herauskäme, wenn sich ein Hund mit einer riesigen Echse paaren würde. „Eine der unvergesslichsten Figuren in der Buchreihe ist neben John Carter selbst Tars Tarkas, Anführer eines Stammes grünhäutiger Wesen, die Tharks genannt werden“, erzählt Stanton. „Im Buch sind sie als Kreaturen beschrieben, die zwischen 2,80 und 4,60 Meter groß sein können, Stoßzähne und vier Arme haben. Das alles ist ziemlich fantastisch. Deshalb gehörte es zu den ersten Dingen, die wir bei diesem Film in Angriff nahmen, zu überlegen, wie wir erreichen konnten, dass diese Kreaturen glaubwürdig wirkten – wie eine natürliche Spezies, die schon immer in der Wüste lebte. Um dies umzusetzen, ließen wir uns für die Physiologie dieser Geschöpfe von Völkern und Stämmen inspirieren, die auf der Erde in Wüstengebieten leben. Dazu gehören die Aborigines, Massai-Krieger und Beduinen. Wir machten die Tharks sehr dünn und hager, als wäre ihr ganze Existenz schon immer eine Überlebensfrage, wobei die Zeiten jetzt noch härter sind und ihre ganze Kultur bedroht ist.

„Es gibt eine ganze Reihe vielgliedriger Kreaturen auf Barsoom. So etwa ein Haustier mit zehn Beinen, das Calot genannt wird und aussieht wie eine Kreuzung aus Bulldogge und Echse. Außerdem sind da noch die achtfüßigen Thoats und die weißen Affen, die vier Arme haben. All diese Kreaturen stellt der Film groß aus. Die Physiologie der Tharks richtig hinzubekommen, half uns dabei, smarte Physiologielösungen auch für die anderen vielgliedrigen Kreaturen kreieren zu können. Ich hoffe allerdings, dass man beim Betrachten des Films darüber keinen Gedanken verschwenden wird. Man wird diese Kreaturen einfach akzeptieren – wie man das auch bei jeder neuen Spezies tut, die man vielleicht irgendwo in der Welt findet.“

Stanton betont jedoch, dass es bei JOHN CARTER - ZWISCHEN ZWEI WELTEN im Kern um die sehr menschliche Geschichte eines Mannes geht, der in Ereignisse verwickelt wird, die ihn zu einer Entscheidung zwingen, was er für richtig oder falsch halten soll. Das vor allem macht diesen Film sehens- und nachempfindenswert. „Was mich am meisten an dieser Geschichte fasziniert“, gibt Stanton zu, „ist ihr Mittelpunkt, ist ein Mann, der in einer fremdartigen Welt ein Fremder ist, der plötzlich gegen seinen Willen außergewöhnlich wird. Das kann man mit jemandem vergleichen, dem bestimmte Fähigkeiten geschenkt werden und der dann entscheiden muss, ob er sie zum Wohl von anderen einsetzt oder sie für sich behält. Genau bei dieser Wahl befindet sich John Carter an einem Scheideweg. Er kommt in diese Welt, als sie sich in einer sehr kritischen Situation befindet, als sich das Gleichgewicht dort zum Schaden des Planeten verschiebt. Er erkennt, dass er eine tragende Rolle dabei spielen kann, es wieder herzustellen. Die Frage ist nur, ob er es auch tun wird.

„Mir gefällt die Idee von einem Protagonisten, der seelisch Schaden genommen und moralische Werte hat, aber vom Leben nur schlechte Karten zugespielt bekam und deshalb nicht mehr der Mann sein will, der er einmal war. Um wieder ins Leben zurückzufinden und sich wieder engagieren zu können, muss John Carter die Erde verlassen und seine Menschlichkeit unter den fremden Geschöpfen von Barsoom wiederentdecken.“

Was war der Impuls für Sie, JOHN CARTER - ZWISCHEN ZWEI WELTEN zu drehen?

„JOHN CARTER - ZWISCHEN ZWEI WELTEN basiert auf dem Roman „A Princess of Mars“ („Die Prinzessin vom Mars“), den Edgar Rice Burroughs vor fast 100 Jahren geschrieben hat. Ich stieß im perfekten Alter auf das Buch. Ich war etwa zehn Jahre alt, vielleicht auch schon elf und verliebte mich einfach in dieses erzählerische Konzept von einem Menschen, der sich auf einem fremden Planeten wiederfindet – in einer neuen Welt, umgeben von verblüffenden Geschöpfen – und dabei entdeckt, dass er hier selbst einzigartige Fähigkeiten besitzt. Für mich war das ein sehr romantischer Aspekt im Abenteuer- und Science-Fiction-Genre.

Einer meiner Freunde hatte mehrere Brüder, die alle zeichnen konnten. Ich habe sie manchmal in ihrem Elternhaus besucht, und wir haben Comics ausgetauscht. Ich erinnere mich daran, dass sie immer dieser Figur zeichneten, die mit dem Schwert gegen diese 2,80 Meter großen, grünhäutigen Kreaturen kämpfte, die vier Arme und Stoßzähne hatten. Ich fragte sie, was sie da zeichneten, und sie antworteten, dass es John Carter sei, der auf Barsoom gegen die Tharks kämpfte. Etwa zur gleichen Zeit brachte Marvel eine Comicserie heraus, die auf den Büchern basierte, weshalb ich zunächst einmal die Comics und erst später dann die Bücher las. Diese Bücher las ich bis in meine Highschool-Zeit hinein, und meine Freunde machten sich darüber gerne lustig.

Es gibt insgesamt elf Bücher in der Romanreihe, und ich dachte schon immer, wie cool das wohl wäre, wenn sie verfilmt werden würden. Eigentlich war ich eher ein Filmfan. Ich wollte die Ideen in Burroughs’ Büchern auf die große Leinwand übertragen sehen, damit ich sie mir im Kino anschauen konnte. Nie aber hätte ich gedacht, dass ich einmal für diese Verfilmung verantwortlich sein würde.“
Edgar Rice Burroughs kennt man vor allem als Schöpfer von „Tarzan“. Waren Sie auch ein Fan dieser Figur?

„Es ist eigenartig, aber von „Tarzan“ war ich nie wirklich begeistert. Wie jeder andere auch kannte ich die „Tarzan“-Bücher von Edgar Rice Burroughs, schließlich war es „Tarzan“, der ihn weltberühmt gemacht hatte. Durch diese Bücher wurde er sehr bekannt und reich. Tatsächlich aber begann er mit der Arbeit an den Romanen mit John Carter, dem sogenannten „Barsoom“-Zyklus, bevor Tarzan auf dem Markt kam.“

Was reizte Sie damals an diesen Büchern und warum fühlen Sie sich noch heute von ihnen angezogen?

„Als ich jung war, gefiel mir an den Büchern, dass sie im Fantasygenre so grundlegend waren. Für mich waren sie damals die Einführung in dieses Genre. Faszinierend ist dabei, dass man von etwas, das 1910 geschrieben wurde, gefesselt sein und der Überzeugung sein kann, dass es noch immer Wert und Bedeutung hat.

Als ich wieder zu den Büchern zurückkehrte, nun als Geschichtenerzähler, Filmemacher und erwachsener Mann, konnte ich sehr leicht erkennen, wie vieles darin zu einem Klischee geworden und wie eindimensional John Carter war. Für eine interessante Charakterentwicklung reichte das alles nicht aus. Was mich aber überraschte, waren die in den Büchern vorgestellten fantastischen Welten und Situationen, die Kreaturen und Figuren - all das erschien mir immer noch als sehr einfallsreich und rief in mir viele Bilder hervor. Das war beim zweiten Lesen für mich wahrscheinlich der stärkste Eindruck. Diese Welt wollte ich sehen. Und auf diese Kreaturen und Figuren wollte ich setzen, in sie kreativ investieren.

Wenn ich heute als Filmemacher vor dieser Geschichte stehe, weiß ich, dass es um Glaubwürdigkeit geht. Es geht darum, hereingelegt und verführt zu werden, damit man in den zwei Stunden im Kino wirklich glauben kann, dass man dort und mittendrin im Geschehen wäre.“

War es schwer, die Filmrechte von den Burroughs-Erben zu bekommen?

„Grundsätzlich ging es darum, hier echte Überzeugungsarbeit zu leisten, dass wir es ernst mit dieser Produktion meinten, denn vor uns hatte es bei diesem Stoff viele bereits vor Produktionsbeginn gescheiterte Versuche gegeben. Verständlicherweise war die Erbengemeinschaft zurückhaltend. Wir mussten sie also davon überzeugen, dass wir es richtig machen würden. Zur Vorbereitung für unseren Besuch bei der Erbengemeinschaft verkauften wir den Film uns selbst, jeder von uns pries also das Projekt den Mitarbeitern an. Wir präparierten uns gut, erstellten nach einem Brainstorming ein Treatment und einen Überblick über das Projekt. Wir standen im Zimmer und erzählten die Geschichte, als ob wir sie gerade erst im Kino gesehen hätten. Damit man das glatt und ohne Pausen vortragen kann, muss man erst einmal etwas Schreibarbeit leisten und dann proben. Und genau das haben wir getan. So lief alles bei den Erben wie geschmiert, sie waren sehr glücklich über unseren Ansatz für den Film.“

Wie eng hält sich der Film an die Vorlage, Edgar Rice Burroughs’ Roman „Die Prinzessin vom Mars“?

„Ich blieb so nah an dem Roman, wie mir das möglich war, schließlich bin ich sein größter Fan. Ich bin aber auch der Erste, der versteht, dass es nicht funktioniert, wenn man eine Vorlage eins zu eins für den Leinwandtransfer übernimmt. Was ich auf gar keinen Film möchte, ist den Zuschauer sagen hören: ‚Das ist eine schlechte Geschichte’. Wir haben uns Freiheiten in der Adaption erlaubt, wann immer wir das für nötig hielten. Die besten Adaptionen sind meiner Ansicht nach die, bei denen man überhaupt nicht bemerkt, dass Änderungen vorgenommen wurden. Das Wichtigste ist immer, dass man das Gefühl reproduzieren kann, das man beim Lesen des Buchs hatte. Gefühle spielen für mich in der Adaption eines Buchs eine riesige Rolle, sie müssen unter allen Umständen geschützt und bewahrt bleiben.“

Haben Sie zusätzliche Recherchen betrieben, um das Buch oder die darin beschriebene Welt besser interpretieren zu können?

„Ja, habe ich. Wir sahen uns in Tarzana in Kalifornien um, was vom Anwesen von Edgar Rice Burroughs heute noch übriggeblieben ist. Er hat seine Ranch ja Tarzana genannt, und daraus entwickelte sich schließlich auch der Stadtname. Damals gab es dort nichts außer seinem Anwesen. Heute ist davon nur noch ein unauffälliges Gebäude zwischen zwei riesigen Geschäften geblieben. Aber im Inneren dieses Gebäudes verbirgt sich ein wahrer Schatz, hier spürt man Geschichte und Vergangenheit. Burroughs war ungemein produktiv. Es gibt neben „Tarzan“ und dem „Barsoom“-Zyklus, seiner wohl zweitberühmtesten Arbeit, so viel anderes, was er geschrieben hat.“

Wie haben Sie sich die Arbeit an JOHN CARTER - ZWISCHEN ZWEI WELTEN vorgestellt, die Vorlage ist doch fast 100 Jahre alt?

„Ich habe mir schon immer diese Zeit des frühen 20. Jahrhunderts vorstellen können, denn in dieser Ära wurde John Carter erschaffen, spielt auch die Handlung. Als die Geschichten 1912 veröffentlicht wurden, ging der Blick nicht zurück, damals war das die Gegenwart. Man hat ein ähnliches Gefühl, wenn man Bücher von H.G. Wells oder Jules Verne liest. Wie Wissenschaft, zukünftige Technologie und Fantasy hier gesehen wird, spiegelt wider, wie die Menschen zu dieser Zeit die Welt verstanden. Meiner Ansicht macht den Reiz und Charme dieser Bücher und Figuren zu einem Teil aus, dass sie nicht der heutigen Zeit, sondern der Zeit kurz nach dem amerikanischen Bürgerkrieg angehören. Ich wollte diesen Eindruck nicht nur auf der Erde, sondern auch auf Barsoom vermitteln. Der Film sollte eine eigene Kategorie besetzen, es sollte unmöglich sein, ihn auch nur zufällig mit anderen jüngeren Science-Fiction- oder Fantasy-Filmen vergleichen zu können.

Würde ich das Buch so umsetzen, wie es geschrieben wurde, würde es klischeehaft und antiquiert wirken. Ich glaubte, einen frischen und neuen Ansatz dafür entwickeln zu können, wenn ich das Gefühl verstärken könnte, dass hier alles authentisch sei. Man sollte den Eindruck haben, dass es ein Historienfilm wäre – allerdings über eine Epoche, die wir nicht kennen. Er sollte so glaubwürdig wirken wie ein sehr gründlich recherchierter historischer Film, wobei es zufällig eben so ist, dass wir diese historische Zeit erfunden haben. Mir ging es vor allem um Authentizität, Glaubwürdigkeit und darum, den Zuschauer so in eine fremde Welt und Zeit zu versetzen, dass er glauben würde, wirklich dort zu sein.

Hier handelt es sich um Science-Fiction aus der Perspektive eines Mannes aus der Zeit um die vorletzte Jahrhundertwende, und deshalb hat der Film eine coole altmodische Aura, mit der man spielen kann. Ich wollte an natürlichen Schauplätzen drehen und das Gefühl vermitteln, als befände man sich auf der Erde wie auch auf Barsoom wirklich in dieser Zeit.

Aus diesem Grund haben wir zum Beispiel auch in Utah gedreht, einige Regionen dort geben einem wirklich das Gefühl, in einer anderen Welt zu sein. Markant ist an Utah, dass hier einmal ein Ozean war, den es längst nicht mehr gibt, ähnlich wie in vielen Regionen auf dem Mars. Deshalb kann man in bestimmten Gebieten dieses Bundestaats leicht den Eindruck bekommen, dass man sich in einer anderen Welt befindet. Ich wollte das Gefühl von einer romantischen Ära in einer fremden Welt erzeugen, denn zu den coolen Dingen aus den Büchern, die ich nie vergessen konnte, gehörte auch, dass jeder in dieser anderen Welt durch die Luft segeln konnte. Das kann man mit Großseglern vergleichen, denen der Wind in die Segel bläst, aber diese ‚Luft’-Schiffe können von den Lichtstrahlen angetrieben werden, die von der Planetenoberfläche reflektiert werden – ähnlich wie ein schwebender Puck beim Air-Hockey. Mir ging es also um dieses elegante Gleiten, das aus dieser Zeit kommt, in der noch nichts automatisiert ist. Mich faszinierte auch, dass der Mars ein sterbender Planet war und dass die Wüste sehr romantisch, aber auch unheimlich sein kann.“

Welchen Ansatz hatten Sie für die Adaption des Buchs?

„Als Kind und junger Teenager war ich ein großer Fan der Bücher. Dann aber habe ich mich von ihnen entfernt und zehrte, wenn man so will, in meinen Zwanzigerjahren von den Erinnerungen an sie. Ich war Mitte 30, als ich die Bücher wiederentdeckte. Ich las sie nochmals, nun mit den Augen eines Mannes, der seine eigenen Geschichten schrieb und Filme machte. So konnte ich nicht nur würdigen, was an den Büchern immer noch großartig war, sondern entdeckte dabei auch, was korrigiert oder verändert werden müsste, um die Geschichte zu verbessern und mit den Mitteln des Kinos das Gefühl reproduzieren zu können, das man beim Lesen der Bücher hatte. Genau darum geht es eigentlich für einen Filmemacher, wenn er ein Buch adaptiert. Es ist nicht so wichtig, dass man unglaublich nah an der Vorlage bleibt, obwohl es großartig ist, wenn sich das realisieren lässt. Viel wichtiger aber ist es, beim Zuschauer das Gefühl zu erzeugen, das zuvor ein Leser des Buchs hatte.

Meiner Ansicht nach ist das ein Zeichen für eine gute Adaption, und genau das habe ich auch selbst versucht. Ich habe mir die anderen Bücher in der Reihe angesehen, fand manchmal eine Figur oder eine Situation, die besser zur ersten Geschichte passte, ergänzte oder schmückte alles aus, wenn ich das Gefühl hatte, es gründlicher erforschen zu wollen. Es gibt eine irrsinnige Anzahl von Schlachten und Kämpfen. Der Grund dafür ist, dass die einzelnen Kapitel ursprünglich als Fortsetzungsgeschichten veröffentlicht wurden. Man las nicht ein ganzes Buch, sondern einzelne Kapitel in einem Magazin, wartete dann auf den nächsten Monat, bis man das nächste Kapitel lesen konnte. Deshalb wurde jedes Kapitel auch mit einem Cliffhanger abgeschlossen, der im dramatischen Umfang ähnlich groß wie das Finale eines Films war.

Mark Andrews, Michael Chabon und ich arbeiteten sehr hart daran, alles im Gleichgewicht zu halten, einen besseren Rhythmus und Handlungsbogen zu generieren, wie man das eben von einem Film erwartet. Dabei aber versuchten wir, das Beste von den Gefühlen zu bewahren, die man beim Lesen des Buchs hatte.“

Glauben Sie, dass es ihnen gelungen ist, ein Gleichgewicht zu erzielen zwischen einer Story, die authentisch und glaubwürdig wirkt, und einer Story, die mit 2,80 Meter großen, vierarmigen Kreaturen doch sehr fantastisch ist?

„Ja, das glaube ich. Wenn man die Kreaturen und Ideen beschreibt, die sich Edgar Rice Burroughs für diese Bücher einfallen ließ, wirkt das alles natürlich wie reine Fantasie. Genau diesen Eindruck wollte ich verhindern, darum habe ich mich sehr bemüht. Wie kann man erreichen, dass der Zuschauer 2,80 Meter große, vierarmige Kreaturen mit Stoßzähnen völlig akzeptiert? Der Zuschauer muss einfach glauben, dass sie vielleicht wirklich existieren könnten. Der Zugang zu diesem Film sollte nicht fantastisch sein, sondern genau das Gegenteil, das versuchte ich zu realisieren. Wie kann man den Zuschauer glauben machen, dass diese Kreaturen wirklich den Gesetzen der Natur und der vorgegebenen Realität eines anderen Planeten folgen?

Die Lösung dieser Frage war unser Ansatz. Wir wollten diese Welt so präsentieren, als wäre sie einfach ein weiteres Reiseziel, ein exotischer Ort in unserem Universum, von dem wir bisher nichts wussten. Und mit dieser Perspektive im Auge und uns an diesen Regeln orientierend, haben wir bei diesem Film unsere Entscheidungen getroffen.“

Bitte fassen Sie kurz den Film zusammen.

„JOHN CARTER - ZWISCHEN ZWEI WELTEN ist ein gewaltiges episches Science-Fiction-Abenteuer mit Romantik, Action und politischen Intrigen. Weil das Buch schon vor so langer Zeit geschrieben wurde, ist es eine Art Keimzelle für solche Geschichten – es war ein Comic, bevor es Comics überhaupt gab, und eine Abenteuergeschichte, bevor diese und folgende ein eigenes Genre begründeten. Es war schwer, sich wieder mit diesem Buch zu befassen, ohne den Eindruck zu erwecken, nur von allen anderen Projekten etwas übernommen zu haben. Denn im Laufe von 100 Jahren ist das Buch entweder dreist kopiert worden oder hat andere Bücher und Filme inspiriert.“

Kurz zusammengefasst folgt die Handlung John Carter, einem desillusionierten Veteranen des amerikanischen Bürgerkriegs, der sich auf wundersame Weise auf einem fremden Planeten wiederfindet. Bei seinen Versuchen, zur Erde zurückzukommen, entdeckt er für sich eine zweite Möglichkeit, sein Leben sinnvoll zu nutzen.“

Gab es bestimmte Elemente, bei denen Sie von Anfang an wussten, dass sie auch im Film sein mussten?

Es gibt so viele Szenen, die ich schon immer auf der Leinwand sehen wollte. So war beispielsweise die Idee, dass Carter auf Barsoom erwacht und herausfindet, dass er 15 Meter hoch springen kann, immer so stark in Marks [Andrews] und meinem Kopf präsent, dass wir noch vor der Arbeit am Drehbuch mit Storyboards zu diesen Sequenzen begannen.“

Können Sie John Carter und sein Dilemma beschreiben?

„Was mich am meisten an dieser Geschichte fasziniert, ist ihr Mittelpunkt, ist ein Mann, der in einer fremdartigen Welt ein Fremder ist, der plötzlich gegen seinen Willen außergewöhnlich wird. Das kann man mit jemandem vergleichen, dem bestimmte Fähigkeiten geschenkt werden und der dann entscheiden muss, ob er sie zum Wohl von anderen einsetzt oder sie für sich behält. Genau bei dieser Wahl befindet sich John Carter an einem Scheideweg. Er ist ein Veteran des amerikanischen Bürgerkriegs, der den Sinn seines Lebens aus den Augen verloren hat, abgestumpft und erschöpft ist. In Arizona versucht er, sein Glück zu machen, damit er sich endlich von allen anderen isolieren und dem Rest der Welt ‚Haut ab!’ sagen kann. Dann stößt er zufällig auf dieses Phänomen, das ihn plötzlich nach Barsoom befördert. Dort entdeckt er, dass er auf wundersame Weise 15 bis 30 Meter hoch springen kann. Verantwortlich dafür ist die veränderte Knochendichte durch die geringere Schwerkraft, dadurch wird er auch stärker, vermutlich so stark wie drei oder vier Männer. Er kommt in eine Welt, die sich in einer sehr kritischen Situation befindet und in der sich das Gleichgewicht dort zum Schaden des Planeten verschiebt. Er erkennt, dass er eine tragende Rolle dabei spielen kann, es wieder herzustellen. Die Frage ist nur, ob er es auch tun wird.

Mir gefällt die Idee von einem Protagonisten, der seelisch Schaden genommen und moralische Werte, aber vom Leben nur schlechte Karten zugespielt bekommen hat und deshalb nicht mehr der Mann sein will, der einmal war. Um wieder ins Leben zurückzufinden und sich wieder engagieren zu können, muss John Carter die Erde verlassen und seine Menschlichkeit unter den fremden Geschöpfen von Barsoom wiederentdecken.“

Können Sie über die anderen Kulturen auf Barsoom, wie etwa die Tharks, sprechen, und darüber, wie sie zum Leben erweckt wurden?

„Eine der unvergesslichsten Figuren in der Buchreihe ist neben John Carter selbst Tars Tarkas, Anführer eines Stammes grünhäutiger Wesen, die Tharks genannt werden. Im Buch sind sie als Kreaturen beschrieben, die zwischen 2,80 und 4,60 Meter groß sein können, Stoßzähne und vier Arme haben. Das alles ist ziemlich fantastisch. Deshalb gehörte es zu den ersten Dingen, die wir bei diesem Film in Angriff nahmen, zu überlegen, wie wir erreichen konnten, dass diese Kreaturen glaubwürdig wirkten – wie eine natürliche Spezies, die schon immer in der Wüste lebte. Um das zu erreichen, ließen wir uns für die Physiologie dieser Geschöpfe von Völkern und Stämmen inspirieren, die auf der Erde in Wüstengebieten leben. Dazu gehörten die Aborigines, Massai-Krieger und Beduinen. Wir machten die Tharks sehr dünn und hager, als wäre ihr ganze Existenz schon immer eine Überlebensfrage, wobei die Zeiten jetzt noch härter sind und ihre ganze Kultur bedroht ist.

Es gibt eine ganze Reihe vielgliedriger Kreaturen auf Barsoom. So etwa ein Haustier mit zehn Beinen, das Calot genannt wird und aussieht wie eine Kreuzung aus Bulldogge und Echse. Außerdem sind da noch die achtfüßigen Thoats und die weißen Affen, die vier Arme haben. All diese Kreaturen stellt der Film groß aus. Die Physiologie der Tharks richtig hinzubekommen, half uns dabei, smarte Physiologielösungen auch für die anderen vielgliedrigen Kreaturen kreieren zu können. Ich hoffe allerdings, dass man beim Betrachten des Films darüber keinen Gedanken verschwenden wird. Man wird diese Kreaturen einfach akzeptieren – wie man das auch bei jeder neuen Spezies tut, die man vielleicht irgendwo in der Welt findet.“

Können Sie etwas zu den Luftschiffen auf Barsoom sagen und wie ihr Design die Zeit widerspiegelt, die Sie hier erschaffen haben?

„Die Luftschiffe weisen auf die Ära der Großsegler in unserer Welt hin. Im Hinblick auf das Material, das in diese Zeit passt, haben wir als Baustoffe altes Porzellan und Holz benutzt, aber nichts Vorgefertigtes verwendet. Auf Barsoom gibt es keine Elektrizität, aber das Element Radium, das nur in sehr begrenzten Mengen vorkommt und in gewisser Weise einen energetischen Prozess aktivieren kann, ähnlich wie eine Autobatterie. Deshalb wird alles auf diesen Schiffen per Hand betrieben.

Spaß machte dabei, sich Arbeitsabläufe auszudenken, wie diese Schiffe bemannt, geflogen und gesteuert werden. Dafür haben wir eine Sprache mit eigenen Termini und einen Plan entwickelt, wie jeder Einzelne hier als Mitglied einer Crew arbeitet. Das alles dient dazu, dem Ganzen mehr Authentizität zu verleihen.“

Auf Barsoom gibt es zwei Städte, die miteinander Krieg führen, in den John Carter schließlich hineingezogen wird. Können Sie die beiden Städte, Helium und Zodanga, beschreiben?

Die Bewohner beider Städte haben einen roten Hautton und auffallende rote Tätowierungen. Diese sind Teil ihrer Kultur, die Position und Rang beschreiben. Das Volk aus Zodanga führt seit Jahrhunderten Krieg gegen das Volk von Helium. Heliumites führen eine blaue Flagge, denken langfristig und wissen deshalb, dass sie etwas tun müssen, um ihren Planeten vor dem Untergang zu retten. Zodangans hingegen folgen einer roten Flagge und der Einstellung, dass jeder nur an sich denkt und auf sich gestellt ist. Ihre Stadt ist ständig in Bewegung. Wie eine Art mobile Raffinerie verändert sie ihren Standort, um Radium zu fördern – ein Rohstoff, dessen Vorkommen fast erschöpft sind. Die Stadt sucht sich einen neuen Siedlungsplatz, nimmt sich dort, was sie benötigt, und bricht dann zu einem neuen Standort auf.

In gewisser Weise ist Zodanga aufgeteilt in Besitz und Armut. Die Mehrheit der Bevölkerung ist arm, lebt, wo immer das innerhalb der Suprastruktur möglich ist, versucht sich durchzuschlagen. Die Minderheit bildet eine Elite, die im Palast lebt. Helium dagegen ist der Totalkontrast zu Zodanga, hier kümmert man sich viel stärker um das Wohl aller Bürger. Weil die Stadt im ganzen „Barsoom“-Zyklus eine tragende Rolle spielt, ist sie in den Büchern ausführlich beschrieben. Es ist die Heimatstadt von Dejah Thoris, von ihrem Vater Tardos Mors und von Kantos Kan, einer anderen wichtigen Figur. Helium zeichnet sich durch Stabilität aus, hat hohe Türme und ist aus Stein erbaut. Tatsächlich gibt es zwei Bezirke, die durch eine Brücke verbunden sind – Großhelium und Kleinhelium. Mittelpunkt der Stadt ist der Palast des Lichts im höchsten Turm der Stadt.

Erklären Sie bitte die visuelle Gestaltung des Films, das visuelle Konzept, das sie zu realisieren versucht haben.

Die Antwort auf alle visuellen Fragen scheine ich immer dann zu finden, wenn ich mir ein Projekt nicht aus den Augen des Filmemachers, sondern eines Filmfans ansehe. Was wäre nötig, damit das Ganze frisch, unverbraucht und nicht von anderen Filmen beeinflusst wirkt? Mein Ziel ist Glaubwürdigkeit. Ich will glauben können, dass es tatsächlich gibt, was ich auf der Leinwand sehe. Deshalb wollte ich dieses Projekt wie einen historischen, von uns ausführlich recherchierten Film angehen, der nicht glanzpoliert, sondern schmutzig realistisch wirkt. Es gibt Dreck, eine Patina und sichtbare Abnutzungserscheinungen – das macht alles glaubwürdig. Die „Geschichte von Barsoom“ muss hier so glaubwürdig vermittelt werden, dass man das Gefühl hat, man wäre an einem entlegenen Ort, von dem man zuvor nichts wusste. Genau das war mein Ansatz für den Film – ein schmutziger, staubiger Realismus.

Wir suchten nach Landschaften mit Felsen, an denen die Erosion in Hunderten von Jahren ihre Spuren hinterlassen hatte. Dann vermittelten wir mit kleinen digitalen Eingriffen die Illusion, dass es sich hier um Ruinen einst erbauter Gebäude handelte.
Wir fügten Fenster, Türen und Treppen digital hinzu. Wenn wir alles richtig gemacht haben, wird der Zuschauer sich hoffentlich fragen ‚Wo haben sie nur diese Ruinen gefunden?’“

Beschreiben Sie bitte das große Set vom Palast des Lichts, das Schauplatz für die Hochzeitssequenz ist.

„Die Hochzeitssequenz im Palast des Lichts bildet das große Finale in unserem Film, es ist wahrscheinlich eines der größten Sets, die wir hatten. Das Gebäude heißt Palast des Lichts, weil es komplett verglast und etwa zehn Stockwerke hoch ist. An der Hochzeitssequenz sind etwa 300 Heliumites und Zodangans beteiligt – unten, am Boden des Sets, und oben auf der Galerie.

Die Hochzeitsgesellschaft selbst befindet sich auf einem Podium, das im Zentrum der Zeremonie schwebt. Ein großer Spiegel auf dem Dach des Palasts reflektiert das gebündelte Licht der zwei Monde Barsooms, der einfallende Lichtstrahl wird dann von einem Empfänger auf dem Podium eingefangen, das dadurch aktiviert wird und bis zur Galerie hinauf schweben kann.

Von einem riesigen Set wie diesem fühlt man sich schon ein bisschen überwältigt. Aber man weiß, dass es dem Zuschauer später große Freude bereiten wird. Er geht in diese großen Actionfilme, weil er hofft, hier etwas präsentiert zu bekommen, was er nie zuvor gesehen hat, ein spektakuläres Element, das hoffentlich etwas völlig Neues bietet, aber nicht von der Geschichte losgelöst sein darf.

Aus diesem Grund griffen wir auf eine Methode zurück, die Prävisualisierung heißt. Wir bauten das Set und drehten die ganze Sequenz virtuell, erledigten den Schnitt, wie wir das auch bei einem Film machen. Dann legten wir exakt fest, wo bei jeder einzelnen Einstellung die Kamera platziert sein musste. Wir diskutierten in vielen Sitzungen, wie wir diese einzelnen Momente drehen würden. Sobald man eine große Sequenz in kleine, überschaubare Abschnitte unterteilt hat, verliert sie ihren Schrecken und wirkt nicht mehr so einschüchternd, sondern kontrollier- und machbar. Das ist wie bei dem alten Sprichwort ‚Wie verspeist man einen Elefanten?’ Man isst ihn Stück für Stück.’ Und daran haben wir uns im übertragenen Sinne auch bei der Realisierung dieser Sequenzen gehalten.“

Sie haben in diesem Film den Kostümen große Aufmerksamkeit geschenkt. Wie hat Mayes C. Rubeo ihre Vision für ihren Arbeitsbereich umgesetzt?

„Was ich an Mayes [Rubeo] wirklich liebe, ist ihr großes Kulturbewusstsein, sie weiß, was in der Welt in Modefragen vor sich geht. Das betrifft nicht nur Kleidung, sondern auch Juwelen und Frisuren, nicht nur die Gegenwart, sondern auch die Vergangenheit. So war sie in der Lage, zu kombinieren und kreativ abzuschweifen, konnte sich ausdenken, was es in einer anderen Welt geben könnte.

So erfunden das Ganze auch sein mag, bemühten wir uns doch sehr, dass diese Welt wie eine authentische historische Ära wirkte. Und dazu leisteten die Kostüme einen wichtigen Beitrag. Sie geben uns das Gefühl, dass wir lebende Geschichte auf Barsoom beobachten. Meiner Ansicht nach halfen uns Mayes’ Kostüme, das zu erreichen.“

Können Sie uns einen Eindruck vermitteln, wie diese Kreaturen, die wir auf der Leinwand sehen, kreiert werden. Steht das Motion-Capture-Verfahren am Anfang wie auch am Ende dieses Prozesses?

„Nein, so ist das nicht. Viele glauben, dass man beim Motion-Capture-Verfahren bestimmte Anzüge trägt, dann die Bewegungen aufgenommen und diese Daten dann direkt in einen Computer eingespeist werden. Und dann liegt schon das Ergebnis vor. In Wahrheit aber ist immer ein kompetenter Animator involviert, wenn man eine gute Motion-Capture-Sequenz sieht. Er bearbeitet diese Daten, korrigiert und ergänzt das Ausgangsmaterial auch oft, damit es wirklich mit Leben erfüllt ist und visuell verblüfft.

Wenn man von digitalen Charakteren und digital bearbeiteten Live-Action-Szenen in der Vergangenheit wirklich beeindruckt wurde, war dafür immer die Zusammenarbeit eines großartigen Darstellers und eines großartigen Animators verantwortlich. Und bei komplett animierten Filmen ist das nicht wesentlich anders. Bei einem reinen Animationsfilm hat man die großartige Sprecherleistung eines Schauspielers, manchmal filmen wir auch den Darsteller bei seiner Arbeit, um Bezugspunkte für Bewegungen und Gesten zu bekommen. All das ist aber völlig nutzlos, wenn nicht ein Animator alles zu einer großartigen Performance zusammenfügt.

In der Entwicklung der Tharks ist das Verhältnis Live-Action und Animation etwa 50:50. Tatsächlich war hier die Performance der Darsteller von viel größerer Bedeutung, ich brauchte Anhaltspunkte, wie sie sich am Set bewegten und ihre Mimik einsetzten. Trotzdem war ich immer noch bis zu einem gewissen Grad vom Animator abhängig, der die erfassten Daten bearbeitet und sie vervollkommnet. Es handelt sich hier nicht um einen Wettbewerb, stattdessen arbeiten zwei großartige Künstler für eine perfekte Performance harmonisch zusammen, damit der Zuschauer am Ende nicht an Willem Dafoe oder Samantha Morton denkt und das Gefühl hat, hier reine Animationen zu sehen. Man glaubt, dass es eine echte Figur ist. Wenn man das erreicht hat, ist das immer der beste Hinweis darauf, dass man bestmögliche Arbeit geleistet hat.

Ich bin an JOHN CARTER - ZWISCHEN ZWEI WELTEN im Grunde mit der gleichen Philosophie und dem gleichen Ansatz herangegangen wie bei meinen Arbeiten für Pixar. Allerdings weiß ich das Ausgangsmaterial, dass ich von den großartigen Darstellern unserer Tharks bekomme, viel besser und bewusster zu würdigen.“

Wer gehört zu Ihren wichtigsten Mitarbeitern hinter der Kamera?

„Ich beginne mal mit meiner Komfortzone, den Produzenten, mit denen ich diese Reise angetreten bin. Zunächst stießen Jim Morris und Lindsey Collins zum Team, die beide bereits WALL-E („WALL-E - Der Letzte räumt die Erde auf“, 2008) produziert hatten. Dann holten wir Colin Wilson dazu, der enorme Erfahrung in der Produktion von großen Action- und Effektfilmen hat. Mit seinen Qualitäten ergänzte er perfekt die Stärken von Jim und Lindsey. Lindseys beruflicher Background ist die Computeranimation, deshalb lag es für uns und auch für sie nahe, dass sie die gesamte Animationsarbeit überwachte. Digitale Animationen sind fast in der Hälfte des Films zu finden, die Arbeit daran nahm die letzten eineinhalb Jahre der Produktion in Anspruch.

Und dann ist da noch Mark Andrews. Dieses ganze Projekt nahm seinen Anfang mit einem Gespräch, das wir während unserer Arbeit für Pixar führten. Wir entdeckten, dass wir beide seit unserer Kindheit Fans von diesem Projekt waren. Wir hatten sogar noch die Zeichnungen, die wir damals von John Carter angefertig hatten, sie bewiesen, dass wir diese Welten schon als Kinder geliebt hatten. Kurz danach stieß Michael Chabon als Drehbuchunterstützung hinzu, auch er besaß noch Zeichnungen aus seiner Kindheit. Und das war unser kleines Basisteam.

Nathan Crowley, unseren Produktionsdesigner, holten wir schon zu einem frühen Zeitpunkt ins Team. Es war wirklich interessant. Als wir beide zusammenkamen, befand sich die Saison mit den ganzen Preisverleihungen gerade auf ihrem Höhepunkt. Ihn betraf das mit DARK KNIGHT („Dark Knight“, 2008), mich mit „WALL-E – Der Letzte räumt die Erde auf“. Angesichts des ganzen Rummels um unsere beiden letzten Projekte war es aufregend, zusammenarbeiten zu können.

Gerade letztere Wahl erwies sich für uns als echter Glücksfall, denn Nathan Crowley hatte beruflich bisher nichts mit Fantasy zu tun. Er hatte noch nie für ein Projekt in diesem Genre gearbeitet, wollte das aber schon immer tun. Somit war sein Blick auf das Projekt frisch und unverbraucht, als es darum ging, Architektur neu zu überdenken und eine glaubwürdige Welt zu entwerfen, die sich von unserer so sehr unterschied.

Kurz danach kam auch unserer Kameramann Daniel Mindel an Bord. Er ist ziemlich vielseitig, und es ist nicht leicht, genau zu bestimmen, welcher Stil und Look typisch für ihn sind. Sein Spektrum an Filmen reicht von ENEMY OF THE STATE („Der Staatsfeind Nr. 1“, 1998) bis hin zu STAR TREK („Star Trek“, 2009). Er brachte die besten Empfehlungen einiger Effektspezialisten mit, die mit ihm bereits gearbeitet hatten, weil er wirklich verstand, dass die eigentlichen Dreharbeiten nicht das Ein und Alles bei einem großen Effektfilm sind, wie das eben auch bei JOHN CARTER – ZWISCHEN ZWEI WELTEN der Fall war.

Und schließlich gehört auch Peter Chiang zum Kernteam. Er leitet Double Negative, ein große Spezialeffekt-Company in London. Wir mussten uns überlegen, wer all die computeranimierten Charaktere realisierten sollte, deshalb trafen wir uns mit ihm und seinem Team. Dieses erinnerte mich sehr an die Anfänge von Pixar, deshalb passte es gut zu uns.“

Wie kamen Sie und Mark Andrews zusammen?

„Noch bevor dieses Projekt grünes Licht erhielt, hatte ich herausgefunden, dass Mark Andrews ein Pixar-Mitarbeiter war, der die Bücher so liebte wie ich. Mark überwachte die Storyentwicklung bei RATATOUILLE („Ratatouille“, 2007) und bei THE INCREDIBLES („Die Unglaublichen – The Incredibles“, 2004). Wir dachten bei Pixar darüber nach, ihm eventuell selbst ein Regieprojekt anzuvertrauen, und er bat mich um einen Gefallen, wollte, dass ich mir einige seiner Ideen für eine mögliche Regiearbeit anhörte. Während eines Mittagessens, als er gerade mitten bei seinen Vorschlägen war, warf ich kurz ein ‚Das hört sich ein bisschen an wie John Carter’. Er verstummte plötzlich und sagte dann ‚Du kennst John Carter?’ Und ich antwortete ‚Klar, ich bin mit diesen Büchern aufgewachsen, liebte sie und die Marvel-Comics der 1970er Jahre.’ Keiner von uns hatte bis zu diesem Zeitpunkt bei Pixar jemanden getroffen, der diese Bücher kannte, deshalb ließen wir den Geek in uns freien Lauf. Und dabei stellte sich heraus, dass wir beide als echte Fanboys genau wussten, was mit den Büchern und möglichen Verfilmungen passiert war.

Schließlich legten wir diesen schrägen Schwur ab, hakten unsere kleinen Finger ein, ohne dass einer von uns dachte, dabei würde je etwas herauskommen. Dann sagten wir: ‚Sollte ein John-Carter-Projekt jemals bei einem von uns landen, müssen wir gemeinsam daran arbeiten’. Das schworen wir uns 2005, und siehe da, schon hatten wir 2006, der Vertrag eines anderen Studios mit den Burroughs’-Erben platzte, und plötzlich fielen mir die Filmrechte in den Schoß. Da ging ich sofort zu Mark und sagte: „Wir werden gemeinsam das Drehbuch schreiben.“

Wie empfanden Sie den Übergang von Animations- zu Live-Action-Filmen?

„Er war nicht so gravierend, wie ich gedacht hatte. Ich wusste, dass ich große Energie und Ausdauer brauchen, dass es unglaublich lange Drehtage geben würde. Ich muss aber zugeben, dass ich mich an den Rhythmus gewöhnt habe. Alles, was ich in zweieinhalb bis drei Jahren gemacht hatte, was mir vertraut war, musste ich nun in einem sechsmonatigen Prozess konzentriert anwenden – genau das bedeutete für mich der Übergang vom Animations- zum Live-Action-Film. Das Ganze ist aber nicht so hart, wie man denken mag. Denn die Gespräche, die ich jetzt mit meiner Crew führe, ähneln denen sehr, die ich mit meinem Team bei Pixar hatte. Auch bei meinen Pixar-Filmen hatte ich einen Kameramann, einen Kostümdesigner, Requisiten wie auch echte Sets. Die Rollen sind in beiden Medien etwa gleich, unterschiedlich ist aber, wie die Arbeit ausgeführt wird. Bei Pixar arbeite ich nicht mit Computern, sondern mit 200 Künstlern, die die Besten auf ihrem Gebiet sind. Und so ist es eigentlich auch bei diesem Live-Action-Film. Das Luxuriöse bei einem Live-Action-Projekt ist aber, dass ich mit der gesamten Crew im gleichen Raum sprechen kann, dass wir das Ergebnis eines Drehtags noch am gleichen Tag und nicht erst sechs Wochen später sehen können.

Es beruhigt mich, dass sich die Realisierung eines virtuellen Films nicht so sehr von der eines Live-Action-Films unterscheidet. Natürlich gibt es offensichtliche Unterschiede, Tatsache aber ist, dass man bei beiden Prozessen versucht, tolle Bilder auf die Leinwand zu bringen, die den Zuschauer faszinieren und die Geschichte vorantreiben.

Und zu meiner eigenen Überraschung liebte ich die Arbeit draußen und die täglich wechselnden Schauplätze. Das ist eine schöne Abwechslung, wenn man zuvor viele Jahre in den gleichen Fluren und Büros gearbeitet hat. Damit will ich nicht sagen, das eine wäre besser als das andere, denn beide Produktionssituationen haben sicher ihre Vor- und Nachteile. Aber es ist eben eine schöne Abwechslung, nachdem ich lange in einem bestimmten Umfeld Filme gemacht habe.“

Über den Film

Oscar®-Preisträger Andrew Stanton inszeniert JOHN CARTER - ZWISCHEN ZWEI WELTEN – ein mitreißendes Fantasy-Spektakel, das auf dem geheimnisvollen und exotischen Planeten Barsoom spielt. Vorlage für JOHN CARTER - ZWISCHEN ZWEI WELTEN ist ein Romanklassiker von Edgar Rice Burroughs. Dieses Buch hat mit seinen höchst fantasievoll erzählten Abenteuern viele Filmemacher inspiriert – in der Vergangenheit wie auch in der Gegenwart. Die nun realisierte Erstverfilmung stellt die Erlebnisse des kriegsmüden John Carter (TAYLOR KITSCH), ehemals Hauptmann im amerikanischen Bürgerkrieg, in den Mittelpunkt. Carter findet sich auf unerklärliche Weise auf Barsoom wieder, wird dort in einen epischen Konflikt zwischen den Bewohnern des Planeten verstrickt, zu denen auch Tars Tarkas (WILLEM DAFOE) und die bezaubernde Prinzessin Dejah Thoris (LYNN COLLINS) gehören. In einer Welt, die vom Untergang bedroht ist, entdeckt Carter seine Menschlichkeit wieder, als ihm bewusst wird, dass die Rettung von Barsoom und seinen Bewohnern in seinen Händen liegt.

Walt Disney Pictures präsentiert JOHN CARTER - ZWISCHEN ZWEI WELTEN, eine Produktion von Jim Morris, Colin Wilson und Lindsey Collins. Das Drehbuch schrieben Andrew Stanton, Mark Andrews und Michael Chabon, Vorlage dafür war Edgar Rice Burroughs’ Roman „Die Prinzessin vom Mars“. JOHN CARTER - ZWISCHEN ZWEI WELTEN kommt am 8. März 2012 in die deutschen Kinos.

13. Februar 2012, von Markus 'Markus S.' Schaffarz

JOHN CARTER - Zwischen zwei Welten

Kino

Release08.03.2012
DistributorWalt Disney Studios
DarstellerTaylor Kitsch Willem Dafoe Lynn Collins
RegieAndrew Stanton